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Wenn der Hafen zum Wunderland wird: Das MS Dockville in Hamburg im Rückblick4 min read

21. August 2018 3 min read

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Wenn der Hafen zum Wunderland wird: Das MS Dockville in Hamburg im Rückblick4 min read

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Glitzer, Farben und viele glückliche Menschen. Südlich von Hamburg, fünf Busminuten vom Bahnhof Wilhelmsburg entfernt, mitten in der Hafenlandschaft, verbrachten zehntausende Menschen vier Tage lang ein Leben in einer Parallelwelt. Das MS Dockville ging am vergangenen Wochenende zum zwölften Mal über die Bühne. Gut, Bühne ist hier wohl das falsche Wort. Ein vergleichbar schönes und so grosses Festivalgelände wie das vom Dockville habe ich noch nie gesehen. Farbig geschmückte Bäume, spektakuläre Kunstprojekte, sowie kunstvoll angezogene und geschminkte Menschen, die zum Szenenbild zu gehören schienen, waren nur ein kleiner Teil des kleinen Schlaraffenlandes. Unzählige Bars, Bühnen und Hütten, wo Musik gespielt, Biere getrunken und (richtig geile) Pommes gegessen wurden, haben auch dieses Jahr das MS Dockville zu dem gemacht was es ist.

 

Am Donnerstag ging es los: Ein energieerfülltes Ankommen der Festivalbesucherinnen und –Besucher am Nachmittag machte richtig Bock auf die kommenden Tage. Als die Sonne schlafen ging, veränderte sich dann alles. Überall gingen Lichter an, die Bäume wurden beleuchtet und in der Ferne sah man die gigantischen Hafenkräne blinken. Das Nest garantierte – nicht nur am Donnerstag – düsteren und mitreissenden Techno, der so einige Beine zum Stampfen brachte. Und das bis die Sonne wieder aufging.

Am Freitag gab es dann Schlag auf Schlag weitere Highlights: Der Auftritt von Aroma, die an jenem Tag auch den Release ihrer EP zu feiern hatten, war der perfekte Kick-Off und machte zusammen mit der einen küssenden Nachmittagssonne verdammt gute Laune. Cigarettes After Sex passte bei Dämmerung ebenfalls super ins Dockville-Konzept. Mir persönlich kam der Auftritt nach zwei-drei Songs dann aber irgendwie etwas langweilig vor. Die Atmosphäre war auf jeden Fall magisch und das mit dem Spannungsbogen ist ja auch Geschmackssache.

 

Um halb zehn bestäubte Superorganism mit den verspielten Klängen den Maschinenraum. Nebst wunderbarer Musik war auch der eine oder andere Lacher garantiert. Bonobo machte dann die Fortsetzung und liess den Konzertabend perfekt ausklingen. Das Konzert von Trettmann, welches zeitgleich lief, war komplett überfüllt, was auch zu erwarten war – und irgendwie etwas zu leise.

Am Samstag war es dann soweit: Ganz unerwartet und überraschend erlebte ich mein persönliches Festival-Highlight. Sevdaliza, eine Frau in Kleid, die zusammen mit zwei Männern, welche an Musikmaschine und Schlagzeug hockten, auf der Bühne stand, hat mich komplett umgehauen. Ihre Stimme, zusammen mit der Performance und dem Sound waren eine Hommage an die gute Musik. Ich spürte die Emotionen, die das Trio lebten und somit auch versprühten. Mal traurige, dann glückliche und auch apokalyptische Gefühle wurden ausgelöst. Am Mikrofonständer waren Rosen befestigt und Rauchmaschinen liessen die Frau immer wieder im Nirvana verschwinden. Musikalisch erinnerte mich die Band an eine Mischung aus Pyrit und Dillon.

 

Und dann kam der Auftritt, der nebst alt-J (die sowieso immer gut sind), die meisten Fangirls angezogen hat: Princess Nokia. Meine Erwartungen waren riesenhoch. Zu Unrecht. Der Auftritt der jungen Rapperin aus NYC war miserabel. Full-Playback, eine schlechte Lichtershow und hauptsächlich Bass in den Ohren waren spätestens nach dem tatsächlich relativ catchigen Track Kitana nicht mehr auszuhalten. Der DJ tat während des ganzen Konzerts kaum etwas anderes als das kreischende Publikum und Princess Nokias Arsch zu filmen, um dann zwischendurch an vermutlich nicht mal eingesteckten Knöpfen rumzukurbeln. Und dass eine Künstlerin im Voraus ankündigt, dass sie am Ende noch von der Bühne hüpft (btw. sie ist durch den Backstage zum Publikum hinspaziert) um die Fans zu umarmen, finde ich auch relativ peinlich. Auch das dutzendmalige Wiederholen des Satzes „I love you so much, I love you so much, I love you so much.“ hat das Ganze dann auch nicht mehr besser gemacht. An Drang zu Selbstverwirklichung und Abstinenz für Vorhandensein von Live Musik-Gefühl fehlt es der Dame nicht. Das einzige was die Frau wirklich hat ist ein verdammt gutes Marketing. Doch die Menschen hatten Freude. Zumindest das.

Aber Moment mal bitte: Auch der Samstag war trotzdem ein Riesenerfolg und wenn man nach dem Rap-Debakel zu Leyya oder dann eben zur Depridisko ging, konnte man mit Qualität kompensieren und in die wundervolle Nacht abtauchen.

Am Sonntag war für mich Schluss. Ich konnte nicht mehr. Nicht weil es mir nicht mehr gefallen hat, sondern einfach weil ich gesättigt war. Das MS Dockville in Hamburg ist ein Festival, das für Augen, Ohren und Gaumen eine wahrhaftige Wohlfahrt ist.

Glücklich und verliebt ins Dockville durfte ich meinen letzten Abend mit einem der schmissigsten Burger auf der Welt ausklingen lassen. Mit dem Wummen in den Ohren, den freudestrahlenden Menschen um mich herum, den immer noch blinkenden Lichter des dauernd aktiven Hafens in der Ferne und der kühlen Brise in meinem Gesicht. Ja, Hamburg schläft nie. Und das ist schön so, denn das kann ich jetzt tun. Bis 2019.

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