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Wir kennen die beste Stimmung der Welt: Sie heisst Altin Gün und schaute gestern in der Turnhalle vorbei.7 min read

15. Oktober 2018 6 min read

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Wir kennen die beste Stimmung der Welt: Sie heisst Altin Gün und schaute gestern in der Turnhalle vorbei.7 min read

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Nach dem gestrigen Konzert von Altin Gün in der Turnhalle in Bern fühlte man sich in eine Welt aus lauter schönen Dingen versetzt. Die Musik der Türkisch-Niederländischen Band wirkt besser als jedes Antidepressivum und lässt die Herzen der Zuschauer lachen.

Kaum standen die fünf Musiker und die Musikerin auf der Bühne, ging das heitere Volksfest los. Das Publikum wurde von Anfang an in den Bann der Melodien von Altin Gün gezogen, getraute sich aber erst nach einer Auftauphase so richtig aus sich heraus zu kommen. Spätestens als der Manager der Band, welcher auf der linken Seite der Bühne stand, so richtig ins Hüfte-Schwingen kam und als Merve, die Frauenstimme der Band, voller Euphorie über die Bühne hüpfte und ihre Sternrassel zu schwingen begonnen hat, wurden die Schweissporen aller Zuschauer aktiviert. Ob es an der Hitze im Raum oder an der Bewegung der Menschen darin lag muss man ja wohl nicht beantworten.

Am selben Nachmittag spielten Altin Gün auch ein Familien-Konzert. Im Interview mit frachtwerk meinten sie, dass es etwas „strange“ war, da sie noch nie ein Sitz-Konzert gegeben hätten. Die Turnhalle war nachmittags bestuhlt. Als die Laune des Abendkonzertes den Peak erreicht hat, meinte Merve, sie hätte am Nachmittag den Kindern erklärt, wie man türkisch tanze. Im Anschluss auf ihre kurze Instruktion flogen sämtliche Hände aller Leute im Raum in die Luft und begannen zu schnippen. Einige wagten es sogar, ihr Hemd auszuziehen und einen Bauchtanz-Einschub zu bieten.Die Atmosphäre war toll – und so war auch das Publikum. Nach ganzen drei Zugaben war das Konzert dann wirklich vorbei. Altin Gün ist eine überaus fröhliche, alternative und rassige Band, die viele Emotionen mit Gesang, Gitarre, Saz, Perkussion, Bass und Synthesizer ausstrahlt, doch zugleich ihren orientalischen Touch professionell und beinahe perfekt rüber bringt. Abraham, der Manager der Band, meinte, dass es wohl die beste Show der bisherigen Tour war. Er war emotional überwältigt. Das erzählte er uns nach der Show am Merch-Stand, wo es Vinyl, CDs, 7-inch-Platten, Kassetten und süsse Shirts zu ergattern gab. Ob da am Schluss noch was übrig blieb sei dahingestellt, denn das Publikum schien nach minutenlangem Toben als eine einzige Masse seine Füsse schnurstracks zu den wundervollen Presenten hinüberzubewegen.

 

Altin Gün im Gespräch

Jan Rucki: Ihr habt heute Nachmittag ein Konzert für Familien gegeben. Wie war es? War das euer erstes Mal, dass ihr sowas gemacht habt?

Jasper Verhulst: Ja schon, wir spielen eigentlich nicht für Kinder, Familien und sitzendes Publikum. Es war aber eine spezielle Erfahrung mit guter Stimmung.

JR: Ihr seid im Moment auf Tour. Welche wichtige Erkenntnis habt ihr während dem Touren gemacht?

JV: Du musst dich um dich selbst kümmern. Nehme deine Vitamine und trinke genügend Wasser.

Daniel Smienk: Nicht zu viel Alkohol.

JV: Nicht zu viel feiern.

JR: Aber hier bist du mit einem Bier in der Hand, also trinkst du den ganzen Tag Bier oder nicht?

JV: (lachend) Ja, Bier zum Frühstück. Nein, nur ein paar Bier am Tag, nicht einmal jeden Tag. Du musst aufpassen wenn du einen Monat auf Tour bist, willst du dich nicht jeden Tag betrinken weil du sonst am Ende kaputt bist.

DS: Ja, du wirst dann sicher sterben. Das ist nicht gut für dich.

JR: Ja, weil du am nächsten Tag spielen musst.

Ja, genau. Du musst für den Soundcheck parat sein und das Hotel zur richtigen Zeit verlassen. Also kannst du nicht betrunken und verkatert oder so sein. Und du musst gute Konzerte spielen, also brauchst du fokussiert zu sein. Es ist also sicher wichtig auf den Körper zu achten.

JV: Du hast einen gestörten Schlafrythmus, sowas wie ein Muster. Also musst du umso mehr auf dich selber achten, denn die eine Nacht kannst du zehn Stunden schlafen, die andere hast du nur vier Stunden. Es ist also immer anders. Es ist also nicht wirklich gesund für deinen Körper, daher solltest du gesund essen und trinken. Das haben wir daraus gelernt.

Gregory Li: Während eurer Tour habt ihr ja auch eure neue Single Vay Dünya produziert?

JV: Naja, wir haben Vay Dünya vor einem halben Jahr oder so aufgenommen und nicht währenddem wir auf Tour waren. Ich glaube es war vor etwa zwei Monaten, als wir es veröffentlicht haben.

GL: Stimmt es, dass ihr eine Pause während eurer Tour einlegt, um in Holland wieder aufzunehmen?

JV: Ja, wir gehen im November zurück ins Studio. Während der Tour arbeiten wir eigentlich auch an neuen Songs. Während Soundchecks zum Beispiel, weisst du. Wir werden eine Electronic-Single rausbringen. Während dem Touren haben wir ein kleines Aufnahme-Equipment bei uns, sodass wir daran arbeiten können. Wir sind ziemlich beschäftigt. (schmunzelt)

JR: Welche Songs spielt ihr am liebsten auf der Bühne?

DS: Im Moment ist es für mich Evahe Esalden*. (schaut zu Jasper hinüber)

JR: Wieso schaust du Jasper an?

DS: Naja, ich kann kaum Türkisch sprechen. (lacht)

JV: Wir beide sprechen kein Türkisch. (lacht ebenfalls)

DS: Wir sind eben beide Holländer. Aber ja, das ist der neue Song, der ein komisches Timing hat. Es ist eine ziemliche Herausforderung, diesen Song live zu spielen, und zwar so, dass man ein gutes Gefühl dabei hat. Nun, das ist aber auch eine schöne Herausforderung. Es fühlt sich bereits gut an.

JR: Daniel, du bist der neue Schlagzeuger…

DS: Ja, seit zwei Monaten!

JR: Darf ich fragen wie es dazu kam?

DS: Das fragst du besser Jasper.

JV: Unser erster Drummer war zu beschäftigt mit seinem eigenen Projekt. Wir haben beide Projekte zur selben Zeit gestartet. Er seins und wir unseres. Er spielte mit uns, aber er konnte die beiden Projekte nicht mehr miteinander verbinden. Wir waren beide viel zu beschäftigt. Es ist eine Schande, denn er war ein guter Schlagzeuger.

DS: Absolut.

JV: Wir sind aber sehr glücklich, dass wir Daniel gefunden haben.

DS: Ist mir ein Vergnügen. (lächelt)

GL: Spielt ihr lieber Club-Shows oder auf Festivals?

DS: Es kommt darauf an, von welchem Festival wir sprechen. Wenn du in einem Zelt spielst, ist die Sache etwas persönlicher. Club-Shows sind sowieso schon ziemlich persönlich, da du mit den Menschen im selben geschlossenen Raum bist. Auf einem Festival-Gelände kann es aber auch intim sein. Ich glaube, ich mag Clubs mehr, weil man da mit allen zusammen ist.

JV: Es hängt wirklich vom Festival ab. Gewisse kannst du nicht mit Club-Shows vergleichen, weil sie einfach grossartig sind. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir am Fusion Festival in der Nähe von Berlin gespielt und es war eine unglaubliche Erfahrung, an einem solch grossartigen Festival zu spielen. Es war einfach einzigartig. Meiner Meinung nach sind Festivals aufregender als Clubs.

GL: Wenn wir schon über Festivals sprechen: King Gizzard and The Lizard Wizard haben euch ans Gizzfest in Melbourne eingeladen. Wie kam es dazu?

JV: Kein Plan. Sie sahen unsere KEXP-Session und haben uns gefragt.

DS Ich war einmal auf einem Konzert von ihnen, aber das war dann auch eher Smalltalk, den ich mit ihnen geführt habe. Ich habe sie noch nie wirklich getroffen. Das werden wir aber noch tun.

JR: Ihr covert Songs, nicht wahr?

JV: Naja, es ist etwas komplizierter. Wir machen unsere Musik mit einer gewissen Folk- Tradition. Es gibt halt viele alte Songs die wir spielen, zu denen es keine wirkliche Original-Version gibt. Das sind Folk-Songs, die schon von verschiedenen Künstlern tausend Mal in ihrer eigenen Version gespielt wurden. Es sind also nicht wirklich Covers, sondern mehr eine Art Tradition.

DS: Etwa wie im Jazz. Da gibts einen Standard und jeder spielt ihn auf seine Art.

GL: Wo in der Schweiz hat es euch bisher am besten gefallen?

JV: Wir haben mal auf einem kleinen Festival in Genf gespielt, das von Bongo Joe, dem Label, bei dem wir sind, organisiert wurde. Es war eine wirklich schöne Nacht mit gutem Programm und guten DJs. Auch im Allgemeinen finde ich die Schweiz ein ziemlich cooles Land um zu spielen und ich bin immer wieder von der Underground-Szene hier überrascht. Viele Leute denken, dass in der Schweiz nichts aufregendes geschieht, was aber überhaupt nicht stimmt. Es ist viel los hier.

JR: Vielen Dank für eure Zeit.

*nicht sicher ob es richtig geschrieben ist (frachtwerk spricht zurzeit noch kein Türkisch :))

Text: Jan Rucki
Interview: Gregory Li, Jan Rucki
Bilder: Emanuel Rucki, Jan Rucki
Transkript: Gregory Li, Juliette Dunaigre, Jan Rucki

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