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Wenn der Schiffbau zu zerbersten droht: Ammar 808 und Acid Arab im Moods4 min read

14. November 2018 3 min read

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Wenn der Schiffbau zu zerbersten droht: Ammar 808 und Acid Arab im Moods4 min read

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Die Beine in den Bauch stampfen, schreien und danach beinahe auf dem eigenen Schweiss ausrutschen – das Konzert von Ammar 808, welches am letzten Samstag im Zürcher Moods stattgefunden hat, knallte das ganze Publikum um.

Das Moods war erst ziemlich leer, ein paar wenige Menschen sassen auf der Couch und tranken Prosecco und Wein. Doch als Ammar 808 mit dem Gasba- und Zukraspieler Lassaed Bougalmi und dem Sänger und Flötenspieler Cheb Hassen Tej die Bühne betritt, ist das Lokal plötzlich voll mit Menschen.

Die Show, welche Ammar 808 hingelegt hat, war sowas von professionell und mit solchen Gefühlen vollgestopft, wie man sie noch selten zu spüren bekommen hat. Das Trio besteht aus drei komplett verschiedenen Menschen. Man könnte schon fast meinen, dass sie so unterschiedliche Persönlichkeiten sind, dass sie gar nicht zusammen funktionieren. Jedoch täuscht man sich, denn die explosive Mischung aus diesen drei Herren wirkt wie alle Drogen der Welt gleichzeitig eingenommen zu haben.

Das erste Lied weckt mit schnellen Gasbamelodien, bauchigen 808’s und dem arabischen Gesang das Verlangen nach mehr. Es wird wie wild getanzt, geklatscht und gepfiffen. Ammar, der DJ in der Mitte, legte das Bett in den Saal. Er klickte und schraubte auf eine irgendwie elegante Art und Weise an seinen Knöpfen und Reglern und platzierte mit jedem Beatschlag eine musikalische Detonation. Das geht rein. Doch was wäre schon ein elektronisch erzeugter Beat ohne dass noch etwas anderes in die Gehörgänge dränge? Um den melodischen Teil des Meisterwerkes abzudecken, standen rechts und links von Ammar zwei Männer. Sie kommen aus Tunesien, heissen Lassaed Bougalmi und Cheb Hassen und bilden im Erscheinungsbild das komplette Gegenteil zu Ammar. Zumindest der links von ihm, Lassaed Bougalmi. Der Mann rechts, Cheb Hassen, zog schon nach einem Song den Hemmungs-Zapfen und hüpfte wie ein von einer hydraulischen Beschleunigungsmaschine auf den Boden geschossener Gummiball auf der Bühne auf und ab. Doch nebst Spass hatten die beiden auch Musik zu bieten. Und wie. Der Herr links, schwarz gekleidet, spielte eine spezielle Flöte, welche ziemlich arabisch klingende Töne von sich gab. Man nennt die Flöte Gasba. Er spielte sie, als ob es sein letztes Mal wäre. Während anderthalb Stunden pustete er in die Gasba und das in einem solchen Tempo, dass es kaum zu fassen war.

In der Hälfte des Konzerts ruft uns Ammar auf Englisch zu: „Let’s test how fast you can go“, und damit beginnt die Musik dem Tempo eines Goa-Stückes zu ähneln. Knallhart bleibt Bougalmi mit seiner Flöte daran, teils höchstwahrscheinlich aus dem Moment heraus entstandenen Melodien zu spielen. Auch wenn Ammar und der zweite Flötenspieler sowie Sänger nicht wegzudenken waren, leistete der Herr im schwarzen Mantel mit der Flöte am meisten. Man schien seine Blicke nicht mehr von ihm lösen zu können, so gebannt und fokussiert war man. Kurz vor Ende des energetischen Auftritts präsentieren sie einen Song, den sie beim Kamelreiten komponiert hatten. Mit weniger BPM im Verhältnis, fährt das Lied uns trotzdem nicht schräg ein, ganz einfach weil es uns eine Verschnaufpause gewährt und weil es uns zeigt, dass sie auch anders können.

Nachdem uns Ammar 808 auf Speed getestet hat, die Bude ordentlich eingeheizt hatte und das Publikum ein-zwei Sprint getrunken hat, traten wenig später schon die nächsten auf die Bühne. Das Publikum hat sich in der Zwischenzeit verändert. Viele fröhliche junge Menschen freuten sich auf das Konzert von Acid Arab. Wiederum ein Trio. Drei junge Männer produzierten hinter ihren geheimnisvollen Geräten elektronische Tanzmusik vom feinsten. Und auch sie haben wieder Beats, die dir die Tasse vom Unterteller schlagen. Knallige Kicks mit viel zusätzlicher Perkussion treffen auf elektronische Basslines, Pads und Arpeggios und bekommen eine finale Glasur mit eher hohen und klanglich orientalisch inspirierten Melodien, die oft mit dem Modulations- oder Pitchrädchen am Keyboard verändert wurden. Noch cleaner klingend als Ammar 808 bespielten sie den Raum, der mittlerweile komplett mit Menschen gefüllt war. Von den Künstlern selbst hat man gar nicht mal so viel mitbekommen, denn das Licht war auf Club-Atmosphäre runtergedreht und die Musiker von Nebel umhüllt. Viele der Zuschauer tanzten auch mit dem Rücken zur Bühne, einfach weil es komplett ausreichte, den mystischen Klängen von Acid Arab zu horchen.

Die Mitglieder von Acid Arab probieren das Publikum durch prägnante Schläge, die böse und aggressiv rüberkommen, zusammen mit den lieblich arabisch und verwunschen tief klingenden Synth-Sounds, in eine andere Welt zu versetzen, sodass man komplett vergisst, dass zwei Räume weiter hinten Menschen im Anzug beim Diner sitzen. Man fühlt sich, als ob man irgendwo im Nahen Osten in einem Keller tanzt und genau das teilt, was man zu teilen hat: Musik, welche die Seele mittanzen lässt.

*Mit der männlichen Form sind in jedem Fall auch alle anderen Geschlechtsformen miteinbezogen. Aus stilistischen Gründen hat der Autor auf einzelne Erwähnungen verzichtet.

Text: Jan Rucki & Gregory Li

Bild: Authentic Dreams / Silvio Zeder

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