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Gucci Gang, Trump und Poesie6 min read

7. Dezember 2018 4 min read

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Gucci Gang, Trump und Poesie6 min read

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Freitag 19.10.2018.
Saul Williams betritt die Bühne des Spoken Words Festival im Luzerner Südpol. Innert Sekunden wird klar, dass es sich hier um keine alltägliche Erscheinung handelt. Als Poet, Rapper, Drehbuchautor, Schauspieler und Künstler widerspiegelt Williams alles, was den heutigen Abend ausmacht.

In langsamen Schritten tritt er zum Mikrofon und beginnt seine Texte vorzutragen. Sie umfassen Themen wie Existenzialismus oder politische und soziale Ungleichheiten. Im Grunde konzentriere er sich sein ganzes Leben auf den gleichen wichtigen Scheiss, erzählt Williams in einem Interview mit SRF.
Dieser Scheiss, das sind die Strukturen, welche menschliche Gruppen unterdrücken. Kein Wunder, dass der sozialkritische Street Art Künstler Banksy einer der wichtigsten Inspirationsquellen für sein letztes Album MartyrLoserKing war. Saul Williams Auftritt im Südpol umfasst einen Rhythmus und eine Energie, die sich schwer in Worte fassen lässt.

 

Der Puls der Zeit

Die grosse Halle im Südpol ist gut gefüllt aber nicht ausverkauft. Jüngere Zuschauer sucht man vergeblich im Publikum. Der Puls der Zeit liegt heute Abend bei den Trap Partys wenige Kilometer entfernt in der Stadt. Dort wo ein grosses Ü16 Schild über dem Eingang hängt und man schon von Weitem die 808s aus den Boomboxen der Kids schallen hört.
Hier sind andere Dinge angesagt. Teure Balenciaga Sneakers, Supreme Trainerhosen und Hoodies von Stussy gehören zur Standardausrüstung jener, die es sich leisten können.

Wer heute Abend nicht dabei sein kann, verfolgt das ganze über die Liveaufnahmen, welche die Zuschauer auf ihre Instagram Storys online stellen. Fast keine andere Musikrichtung profitiert so stark von Instagram wie Trap. Die Clout, also die Masse an Follower, welche ein Musiker in den sozialen Netzwerken hat, beeinflusst massgeblich dessen Erfolg. Wer es schafft, dass sein Konzert auf den Storys der Zuschauer landet, kann innert Sekunden Tausende weitere Menschen erreichen.

Der Ursprung von Trap findet man in den Vororten der US-amerikanischen Großstadt Atlanta. Anfangs der neunziger Jahre gehörte Atlanta zu den grössten Drogenumschlagplätzen der USA. Die Trapsongs der ersten Stunde behandelten genau diese Drogenprobleme. Ein Trap ist ein Slang Ausdruck für einen Ort, wo Drogendeals stattfinden. Mit dem zunehmenden Erfolg von Trap entfernte sich der Musikstiel immer mehr von seinem Ursprung. Auch wenn es wie zum Beispiel mit dem Pulitzerpreisträger Kendrick Lamar  auch heute noch einige vielversprechende Traper gibt, so konzentriert sich der Grossteil der Trap Lyrics auf einfältige Themen. Gucci Gang halt.

So ist Trap auch ein Spiegelbild unserer heutigen zunehmend amerikanisierten Gesellschaft. Vieles geht um Fame, Geld und Bitches. Die Anzahl Followers auf Instagram widerspiegeln den Erfolg des Musikers. Kleidung ist Bekenntnis. Drogen ein Lifestyle.
Eine der beliebtesten Szenendrogen im Trap ist der Purple Drank, ein violetter Tranquilizer gemischt aus Hustensaft, Sprite und Eis. Der Hustensaft ist codeinhaltig, was euphorische Gefühle hervorrufen kann, gleichzeitig aber auch das zentrale Nervensystem angreift. Es beeinträchtigt die Motorik und kann Herz und Atemmuskeln lähmen. Einige Rapper sind bereits an einer Überdosis gestorben. Die vermittelten Bilder in den Videos werden nur allzu oft blindlings von Konsumenten übernommen. Innert eines Videoclips wird der Junge aus Buttisholz zum Traper aus Atlanta.

 

Spiegel der Gesellschaft

Einer der die heutige Entwicklung schon seit Langem kritisiert, ist Saul Williams. In seinem Interview mit WatchLOUD erklärt er, warum Figuren wie Trump oder die Kardashians eine logische Konsequenz unseres heutigen Medien- und Musikkonsumverhaltens sind.

So Williams:

Rappers have been praising Trump for over a decade and ignoring real heroes. Amercians have been excited about those who make money without thinking about the exploitation that may be involved with that money for ages. It’s just reflection of our values. We get the leaders we deserve (…)

I’m dead serious. We have been pumping up motherfuckers who have warped values in terms of capitalism, exploitation, not caring for the poor.

I mean you hear it, you hear it reflected in so much shit you know. Like why are we so fascinated with the rich anyway? Like isn’t that the only reason why we are watching Kardashian shit is like richness and fat asses? I think that is the idea right? But i dont know what our fascination is but if you think those things don’t have an effect, all of those things are parts of our diet.

The effect of the bullshit that we ingest you know reflects the bullshit that we´re given the possibility to elect.

Ein Kernpunkt von Williams Musik und Gedichten liegt in der Hinterfragung von Autoritäten und der Kritik an sinnlos adaptierten Wertvorstellungen. So erzählt sein Song Burundi eine Geschichte von einem Hacker, welcher sich gegen Ungerechtigkeit auf der Welt einsetzt. Eine sehr emotionale Performance findet man auf NPR Tiny Desk Concert. In der Minute 4.24 geht Williams genauer auf die Bedeutung seines Songs ein. Gleichzeitig erzählt Gucci Gang eine Geschichte von Bitches und Gucci.

My bitch love do cocaine, ouu
I fuck a bitch, I forgot her name
I can’t buy a bitch no wedding ring
Rather go and buy Balmains

Gucci gang, Gucci gang, Gucci gang (Gucci gang!)
Gucci gang, Gucci gang, Gucci gang, (Gucci gang!)
Gucci gang, Gucci gang, Gucci gang (Gucci gang!)

Zahlenmässig verliert Williams «Burundi» mit 145’314 gegen Lil Pumps «Gucci Gang» mit 827’686’373 Aufrufen auf YouTube relativ klar. Natürlich ist dies auch keine faire Gegenüberstellung. Intellektuelle Musik und Kunst wurde schon seit jeher nur von einem Nischenpublikum konsumiert. Dennoch ging früher Berühmtheit und Reichtum zumindest in Europa mit einer gewisser gesellschaftlichen Verantwortung einher. Heute ist es oftmals nur noch die blanke Selbstdarstellung der menschlichen Dummheit. «Get rich or go home» und «Grap them by the pussy».

 

dIE MACHT DER wORTE

Der Auftritt von Williams im Südpol neigt sich langsam dem Ende zu. Am nächsten Tag folgt noch ein Auftritt mit der Jazzlegende David Murray. Die beiden Künstler trafen erstmals bei der Beerdigung des Lyrikers Amiri Baraka aufeinander. Murray wurde auf Williams aufmerksam, als er bei der Grabrede Barka aufforderte verdammt noch mal wieder aus der Kiste zu kommen, da er hier noch gebraucht werde. Wie stark es sich für Konzert und Kulturhäuser in Zukunft noch lohnt solche Legenden zu buchen und wie man die jüngeren Generationen abholen kann, das sind Fragen, die sich alle Veranstalter stellen müssen. Auch wenn der Puls der Zeit offensichtlich woanders liegt, so zeigen Williams Worte drastisch auf, wohin wir zusteuern, wenn man diesen nicht mit einer entsprechenden Ernsthaftigkeit entgegentritt.

 

 

 

 

Über Saul Williams

Saul Williams wurde am 29.2.1972 als Sohn eines Priesters in Newburgh New York geboren. Nach seinem B.A Abschluss in Philosophy im Morehouse College in Atlanta, zog Williams nach New York um Schauspiel zu studieren. Dort erreichte er seinen ersten Kontakt mit der Poetry Slam Szene. Der Erfolg als Poet kam im Jahr 1996, als Williams den Titel des Nuyorican Poets Cafe Grand Slam Champion gewann. Dieser Titel war mitunter einer der Gründe, warum Williams, im Jahr 1998 die Hauptrolle im Film «Slam» bekam. Williams wurde zur Hauptfigur der Poetryslam Bewegung und trat in über 30 Ländern auf. Zudem begann Williams immer mehr Musik zu machen und seine Gedichte zu vertonen. Sein erstes Musikalbum veröffentlichte Williams schliesslich im Jahr 2001. Es folgten zahlreiche weitere Alben. Sein letztes Musikalbum erschien im Jahr 2016 und trägt den Namen MartyrLoserKing.

 

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