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Ein Interview mit Michael Sutter über Herter-Laffranchi-Schuler in der Kunsthalle Luzern5 min read

10. März 2019 4 min read

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Ein Interview mit Michael Sutter über Herter-Laffranchi-Schuler in der Kunsthalle Luzern5 min read

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Christian Herter, Matteo Laffranchi und André Schuler sind drei Künstler, welche allesamt ihre Atelier im obersten Stockwerk des Werkvereins Bildzwang auf der Reussinsel haben. Ihre Werke sind filigran, grob, gross und klein. Sie spielen mit unserer Wahrnehmung und legen uns auch manchmal rein. Ist es wirklich ein Konstrukt aus Eisenstangen oder besteht dieses aus Pappmaschee?
Sie hinterfragen, inszenieren und geben uns den Raum zum Interpretieren. Wir haben uns mit dem Leiter der Kunsthalle getroffen und über die aktuelle Ausstellung der drei Künstler gesprochen.

Neve Regli: Warum diese drei Künstler? Sind sie auf dich zugekommen?
Michael Sutter: Ich bin auf sie zu. Die drei Künstler sind relativ bekannt in Luzern und wir kennen uns schon seit einigen Jahren. Sie arbeiten alle gemeinsam – Christian, Matteo und André – in einem grossen Gemeinschaftsatelier namens Bildzwang. Alle auf dem gleichen Stock. Ich hatte sie immer schon etwas auf dem Radar.
Sie machen Plastiken und haben noch nie zu dritt ausgestellt, obwohl sie ein recht ähnlichen Schaffensprozess haben: Stark Prozessorientiert, mit armen Materialien (Pappmaschee, Karton, Holz…) und Fundgegenständen. Ich habe sie dann vor eineinhalb Jahren gefragt, ob sie mal zu dritt eine Ausstellung für die Kunsthalle machen möchten.

NR: War es schwierig diese drei in einer Ausstellung zu vereinen? Auch kuratorisch
vielleicht?

MS: Ich habe bei dieser Ausstellung einen anderen Ansatz gewählt; Zum ersten Mal habe
ich den Künstlern das Bespielen des Raumes und somit auch etwas die kuratorsiche Aufgabe überlassen. Dies funktionierte bei dieser Ausstellung gut, weil sich die Künstler oft sehen und sich gegenseitig und ihre Werke gut kennen. Ich habe sie dann sporadisch besucht und den Stand der Dinge mitbekommen. Man konnte gut gegenseitig aufeinander eingehen. Für Gruppenausstellungen ist dies sehr dankbar, denn meistens kennen sich die Künstler nicht und da muss man als Kurator mehr eingreifen um Reibungen und auch allfällige Konkurrenzkämpfe zu vermeiden. Ein bisschen wie ein Schiedsrichter.

NR: Gibt es denn ein spezifisches Bindeglied zwischen den drei Künstlern?
MS: Neben der Ateliertätigkeit im Bildzwang und von der ähnlichen, prozess- und experimentorientierter Arbeitsweise, ist es die Materialität. Das versteht man mit genauerem Hinschauen. Es sind keine high-end Materialien wie Bronze oder Stahl angewendet. Es wird zum Beispiel mit Papier, Holz oder Karton gearbeitet. Dies heisst aber nicht, dass ihre künstlerischen Interessen genau gleich sind; Herter hat eher einen architektonischen und räumlichen Ansatz, Laffranchi orientiert sich am Modellbau und Schuler spielt mit der Wirklichkeit von Materialität.

NR: Ist es für Christian, Matteo und André wichtig, dass man ihre Werke interpretieren kann?
MS: Ja, dieser Spielraum ist wichtig für sie! Das sieht man auch an den Namen von gewissen Werken. André hat zum Beispiel seine Plastiken unteranderem «QUAOA» oder «HI’IKA» genannt. Ich weiss zwar nicht warum genau, aber dies hat mit der Verselbständigung der Werke durch ihren Schaffensprozess zu tun. Die Künstler verwerten auch oftmals Materialien von früheren Werken oder Gefundenes. Christian hat zum Beispiel in seinem Werk «Archityp 2» Plakate integriert, welche er in Paris gefunden hatte. Matteo hingegen gibt dir schon etwas mehr Preis mit seinen Betitelungen. Eines seiner Kunst-werke heisst «Frozen Heart», das gibt dir schon etwas Information.

NR: Warst du eigentlich bei der Werkauswahl dabei? Oder sind sie einfach auf dich zu mit ihren fertigen Plastiken?
MS: Ich hatte grosses Vertrauen in sie und wusste, was sie machen. Sie waren in einem ständigen Dialog und haben ihre Werkauswahl aufeinander abgestimmt. Am Ende haben wir vor Ort die finale Auswahl und die Platzierung bestimmt.

NR: Es ist auch eine Ausstellung, um die Zeitgenössische Plastik etwas zu hinterfragen.
Was ist denn die Zeitgenössische Plastik?
MS: Das ist das, was du hier siehst oder vielleicht auch nicht. Die Kunstgeschichte denkt gerne in Schubladen und zeitgenössisch ist per se alles, was im Jetzt ist. So ist die Ausstellung ein Denkanstoss, in welche Richtung es mit der Zeitgenössischen Plastik gehen könnte. Mittlerweile kann man auch mit 3D-Druck Werke kreieren. Bei dieser Ausstellung liegt der Fokus aber mehr auf dem handwerklichen Aspekt.

NR: Gibt es eigentlich Werke, bei denen du denkst, dass sei zu einfach, um Kunst zu sein?
MS: Diese Frage kommt oft in meinem Beruf auf. Aber für mich ist es eine irrelevante Frage. Ich möchte möglichst nicht wertend an ein Werk herangehen. Natürlich habe ich auch einen gewissen professionellen Anspruch, dieser geht aber weit über das hinaus, wie das Werk dann schlussendlich aussehen könnte. Mir kommt es mehr darauf an, wie ernst diese Person es mit den Kunstwerken meint, in welchen Kontext und zu welchen Bezügen diese gesetzt werden. Klar, man könnte ein Werk aus dieser Ausstellung auf eine Baustelle setzen und es sieht dann nicht mehr nach Kunst aus. Aber da, in der Kunsthalle, ist es in einem anderen Raum, einem anderen Kontext. Ich habe auch schon Alltagsgegenstände ausgestellt, welche in der Kunsthalle eine andere Wirkung auf die Betrachter erzeugten.
Für mich ist es nicht wichtig, wie einfach ein Werk ist. Mein Anspruch besteht darin, Kunst zu betrachten und für mich einzuordnen und nicht nach Einfachheit einzustufen. Über diese Frage könnte man natürlich noch Stunden diskutieren.

NR: Hattet ihr denn schon mal eine Ausstellung, welche ihr schliessen musstet, weil
etwas nicht ging?
MS: Ja, zweimal war das. Wegen den Sicherheitsvorschriften.

NR: Schränken diese Sicherheitsvorschriften stark ein?
MS: Ja, durchaus. Je nachdem, was man realisieren möchte. Das hat aber auch damit zu tun, dass dieser Raum nicht als Ausstellungsraum gebaut wurde, sondern als Küche. Aber wir arrangieren uns und haben dafür diese herausfordernde Raumform einer «Aquariumbanane»! 😉

NR: Und zum Schluss eine Frage die mich interessiert: Was ist für dich eine gute Plastik?
MS: Ähnlich wie die vorherige Frage über Kunst, ist dies auch eine schwierige und praktisch nicht beantwortbare Frage für mich. Wenn ich aber auf die drei eingehe, ist es sicherlich das Überraschende und Neue. Es kann aber auch komplett andere Kunst sein, die etwas in mir bewegt oder mich überrascht.

Danke Michael für dieses interessante Interview! Zieht euch die Ausstellung in der Kunsthalle Luzern auch noch rein. Die Finissage findet am 24. März um 14.00 bis 18.00 Uhr statt. Da könnt ihr um 15.00 Uhr Michael, Matteo, Christian und André im Gespräch hören und sehen. Geht, interpretieret, sehet und staunet!

 

 Fotografie: Kilian Bannwart
Ausstellungsansicht Herter-Laffranchi-Schuler in der Kunsthalle Luzern