Magazin Musik Tiefgang

Helvetiarockt: Die Förderung von Frauen* in der Schweizer Musikbranche5 min read

30. März 2021 3 min read

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Helvetiarockt: Die Förderung von Frauen* in der Schweizer Musikbranche5 min read

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Wusstest du, dass in der Schweiz im Bereich Pop, Rock und Jazz die Bühnenpräsenz einen Frauen*anteil von 15 Prozent aufweist? Und wusstest du, dass es in der Musikproduktion gerade einmal zwei Prozent sind? Der Verein Helvetiarockt macht sich mit diversen Angeboten und Projekten für eine signifikante Erhöhung des Frauen*anteils in der Schweizer Musikbranche stark.

Im März setzten wir uns im Rahmen vom Tiefgang mit der Förderung von Frauen* in der Musik auseinander. In einem kurzen Interview mit Elia Meier, Leitung der Kommunikation bei Helvetiarockt, konnten wir mehr über den Verein, seine Angebote und was wir als Musikhörende tun können, erfahren.

frachtwerk: Wie ist euer Verein Helvetiarockt entstanden?

Helvetiarockt: Helvetiarockt kam am 15. Januar 2009 Uhr in Fahrt. Im Zug von Luzern nach Bern wurde der Verein gegründet. Zwei Luzernerinnen – Judith und Isabel – stellten fest, dass zu wenig Frauen* auf den Bühnen der Schweiz stehen. Sie hatten gemeinsam das Projekt «Jazz im Rock» lanciert und haben daraus die Kraft geschöpft, einen schweizweit aktiven Verein zu gründen. Wir setzen uns ein für mehr Mädchen* und Frauen* im Jazz, Rock und Pop.

«Interessiert es dich? Melde dich an!»

frachtwerk: Ist die Nachfrage nach euren Angeboten gross? Gibt es Frauen*gruppen, welche mehr von euren Angeboten profitieren möchten?

Helvetiarockt: Bei jungen Frauen* versuchen wir zu stärken was leider zuvor Schaden genommen hat: das Selbstvertrauen. Frauen* trauen sich oft nicht, sich für unsere Angebote anzumelden. Sie denken, sie wären zu schlecht. Was natürlich überhaupt nicht stimmt. Deswegen versuchen wir hervorzuheben, welche Vorkenntnisse nötig sind. Wir organisieren Beatmaking-, DJing- und Song Sketches-Workshops, für die gar keine Vorkenntnisse nötig sind. Andere Formate, wie die Bandworkshops oder das Songwriting Camp, setzen erste Erfahrungen voraus. Aber auch dort gilt: Interessiert es dich? Melde dich an! Auch etablierte Künstlerinnen* finden bei uns einen Platz als Coach oder zum Beispiel im «Producing Circle». Wir zählten insgesamt 207 Workshop-Teilnehmer*innen im 2020.

Was wir bis heute noch wenig durchgeführt haben, sind Angebote für Einsteigerinnen* die über 25 Jahre alt sind. Das hängt damit zusammen, dass wir uns in den ersten Jahren für den Aufbau von Helvetiarockt auf den Nachwuchs und auf etablierte Künstlerinnen* konzentriert haben. Wir sind uns dieses unschönen Ausschlusses bewusst und versuchen neue Wege zu finden. Erste Angebote für Einsteigerinnen* Ü25 haben in Basel im 2020 stattgefunden. Im Mai und Juni finden zudem ein Beatmaking- und ein DJ-Workshop in Luzern statt – ohne Altersbeschränkung.

frachtwerk: Könnt ihr den Grund nennen, warum der Frauen*anteil in der Musikbranche so tief ist?

Helvetiarockt: Würden wir diesen kennen, hätten wir wohl unseren Zweck der Gleichstellung wahrscheinlich schon erreicht. Die Welt ist dynamisch und komplex. Wir alle wurden sozialisiert. Geschlecht hat – leider immer noch – einen grossen Einfluss darauf, was Menschen zugetraut wird, welche Werte vermittelt werden und vieles mehr. Neben oder im Zusammenhang mit unserer Sozialisierung sind Vorbilder zentral. Wir orientieren uns an Identifikationsfiguren. Frauen* in der Musikbranche müssen also sichtbarer werden. Dafür braucht es die passenden Strukturen in einer Branche. In Festivalleitungen, Labels, den Medien, Hochschulen und in Jurys müssen Teams agieren und entscheiden, die geschlechterdurchmischt sind. Dazu kommt in der Musik der Technik-Aspekt. Hier gilt es regelrechte Entwicklungsarbeit zu leisten. Je technischer ein Bereich (zum Beispiel Producing und Tontechnik), umso weniger Frauen* sind zu finden. Weiter ganz konkrete Massnahmen findet mensch auf unserer neuen «Diversity Roadmap» Webseite.

frachtwerk: Was macht euch am meisten Spass bei Helvetiarockt?

Helvetiarockt: Spass bringen uns all die Frauen*, die sich gegenseitig empowern und ihren Platz einnehmen. Und unsere geschlechterdurchmischte Community, welche mit uns an den vielen Zahnrädern dreht, damit sich das gesamte System wandelt. Wir schrauben super gerne.

frachtwerk: Was kann man als Musikfan alles tun, um Frauen* in der Musik zu unterstützen?

H: Schaut eure Spotify-Playlists an. Hört ihr Bands mit Schlagzeugerinnen*? Acts, die von Frauen* produziert oder gemanagt werden? Kauft ihr ihren Merch? Geht ihr an ihre Konzerte (wenn ihr wieder dürft)? Macht ihr Frauen* auf euren Social Media Plattformen sichtbar? Empfehlt ihr ihre Musik weiter? Und ermutigt ihr Frauen* ihren eigenen Weg in der Musikwelt zu gehen? Und: Seid ihr Member bei Helvetiarockt? (grinst)

«Das fägt. Das berührt.»

frachtwerk: Gibt es, in Bezug auf Helvetiarockt, ein Erfolgserlebnis, welches euch besonders geblieben ist?

Helvetiarockt: Ehemalige Teilnehmerinnen*, welche als Act plötzlich Preise absahnen, welche zu den besten Tontechnikerinnen* in der Schweizer Musikbrache werden, welche in ihrer Freizeit eigene Partys schmeissen und als DJs auflegen, welche über das empowernde Erlebnis an unseren Workshops ihre eigentlichen Leidenschaften und Stärken entdecken. Und Erfolg ist auch, wenn wir merken, dass immer mehr Menschen in der Musikbranche für unser Thema einstehen und laut werden. Das fägt. Das berührt. Dann haben wir in einem halben Jahr einen Kulturpreis und den IndieSwiss Special Achievement Award gewonnen. Das tut natürlich auch unglaublich gut und bestärkt uns: wir bleiben dran!

Die neue Website der «Diversity Roadmap» wurde letzte Woche gelaunched und 
erhielt den IndieSwiss Special Achievement Award. Dies sei ein starkes 
Zeichen für die Anerkennung von Themen, wie die Gleichstellung aller 
Geschlechter, Zugänglichkeiten für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen 
in Clubs und an Festivals, Intervention für sexualisierte Belästigung und 
Gewalt sowie Rassismus, Homo- und Transphobie.

Bist du interessiert an Beatmaking, Songwriting oder DJing? Dann schau doch mal vorbei bei Helvetiarockt und erkunde ihre Angebote.

 

Bild: Nathalie Smrkovsky
Text: Linda Lustenberger
Interviewantworten: Elia Meier

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