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Lernen von den alten Meistern. Gesellschaftskritik auf ganz hohem Niveau! Über den Atomausstieg, das Versagen Trumps und wie man vielleicht doch die Klimakrise bewältigen kann.5 min read

24. April 2021 3 min read

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Lernen von den alten Meistern. Gesellschaftskritik auf ganz hohem Niveau! Über den Atomausstieg, das Versagen Trumps und wie man vielleicht doch die Klimakrise bewältigen kann.5 min read

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Noam Chomsky gilt zu den einflussreichsten Sprachwissenschaftlern der Welt und ist auch noch im hohen Alter ein Meister des Beobachtens und scharfer Kritiker der amerikanischen Politik. In seinem aktuellen Werk stehen wieder die weltpolitischen Fragen und der Ausstieg aus der Atomkraft an.

Bevor wir mit der Rezension starten, ganz kurz ein paar Sätze zum Autor: Noam Chomsky, geboren 1928, ist Professor Emeritus für Sprachwissenschaft und Philosophie am M.I.T. Er hat die moderne Linguistik revolutioniert und zahlreiche Bestseller verfasst. In den 1990-er Jahren löste er mit seinen Werken sogar in der Graffiti Szene einen Hype aus und weltweit waren Tags mit «Read Chomsky» zu sehen. Bis heute gilt der 92-Jährige als einer der prominentesten Kritiker der amerikanischen Politik.

In Noam Chomskys aktuellen Werk finden wir Erläuterungen zu vergangenen Veranstaltungen und Q & A dazu, so wie eigene kurze Texte zur aktuellen und historischen Spannung im Auf- und Abrüsten der Atomwaffen. Im Grunde genommen fordert der gefeierte Linguist einen globalen Konsens des Ausstiegs und Vernunft im Umgang damit. Übersetzer Michael Schiffmann (der schon mehrere Werke des Autors übersetzt hat) kommt im letzten Kapitel mit einem Fragebogen zum Ausgang der US-Wahlen um die Ecke und rundet damit das im Westend Verlag erschienene Buch ab. Der Hauptteil des Buchs nimmt Bezug auf eine Veranstaltung zum Internationalismus im Jahre 2016.

Im ersten Kapitel nimmt Noam Chomsky Bezug auf die Fehler und Gräueltaten der Vergangenheit. Insbesondere im Umgang mit Atomwaffen und deren fataler globaler Entwicklung. Bereits nach vierzig Seiten bin ich beeindruckt vom Wissensschatz, der Ausdrucksweise und des trotz seines hohen Alters vorhandenen Optimismus für unseren Planeten, dass ALLES in eine andere bessere Zukunft gehen kann. Immer wieder taucht der Begriff Anthropozän (Ausdruck des menschlichen Einflusses auf seinen Planeten) und die Folge dessen auf. So werden wir nicht verschont mit Statistiken zu Überflutungen, Stürmen, Temperaturschwankungen und weiteren Darstellungen von menschengemachten Naturkatastrophen. Auch Fotos zu den teils schon wieder vergessenen Unglücken dokumentieren dies.

 

«Sämtliche Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur (USA) haben die Fakten des Klimawandels geleugnet!»

 

Nahtlos geht es im zweiten Kapitel mit Wallace Shawns Interview weiter. Der Aktivist, der in Harvard und Oxford Philosophie studierte, uns aber wohl eher als Schauspieler bekannt ist, stellt Fragen über den Atomausstieg, die amerikanische Mentalität bis hin zum zivilen Ungehorsam und ob dieser für den Pensionär denn überhaupt noch eine Alternative wäre. Weiter geht es mit der Fragerunde im dritten Kapitel. In jenem Vortrag über Internationalismus, auf den das Buch seinen Fokus ausrichtet, kommen dann Fragen zur strategischen Umsetzung. Hier stellen Aufklärungsarbeiter aus Hiroshima, Klimaaktivistinnen sowie Professoren aus dem Nonprofit Journalism gezielte Fragen, wie man den Atomwaffenausstieg bewältigen kann und wie die aktuellen Gedanken des Grossmeisters zur Bewegung der Zukunft aussehen. Themen wie Kapitalismus werden eher sekundär behandelt, dafür liegt die Ausrichtung mehr auf der innenpolitischen Lage in den USA.

Vertieft werden dann im vierten Kapitel die aktuellen Gedanken zur Weltlage. Der amerikanische Herausgeber will herauskitzeln, wie eine Rebellion ablaufen kann und ob Chomsky dafür einen Plan oder Ideen hat. Auch hier wird man weiterhin mit fundiertem Allgemeinwissen und einer gewissen Redseligkeit des M.I.T Professoren beglückt. Kurz daraufhin folgt eine persönliche Reminiszenz, in der er seine Darstellung der existenziellen Gefahren schildert. In dieser Zeitreise seiner Erinnerungen kommen wir in die Teenagerjahre des Sprachwissenschaftlers, der den wachsenden Faschismus Ende der 1930er Jahre beschreibt und daraufhin einen Vergleich («der in keiner Weise an den Nazismus von damals herankommt») zum Phänomen, das sich ultranationalistische, reaktionäre Internationale bezeichnet, zieht und dies fürchtet.

Welch Trauerspiel für die USA!

Netanyahu in Israel, Trump-Pompeo-Bolten, das Triumvirat des Bösen in den Vereinigten Staaten, Bolsonaro in Brasilien und Moreno aus Ecuador sind die extremistischen, rechten Ultranationalisten der Gegenwart, die man fürchten muss. Die Gegenbewegung kommt durch Varoufakis (griechischer Finanzminister) und Bernie Sanders mit ihrer progressiven Internationale. Es folgt eine Weiterführung über den Ausstieg aus der Atomkraft und die internationalen Abrüstungsverträge. Auch eine harsche Kritik an der Förderung fossiler Baustoffe folgt. Man hat ja mittlerweile Saudi-Arabien überholt. Welch Trauerspiel für die USA!

Auf das letzte Interview, welches kurz vor Weihnachten 2020 entstand, möchte ich eigentlich nicht zu vertieft eingehen. Schön zu sehen ist hier, dass man dem Übersetzer für den deutschsprachigen Raum die Möglichkeit geboten hat, selber Fragen stellen zu dürfen. Michael Schiffmann durfte bereits einige Bücher von Chomsky übersetzen und vielleicht, so traurig es klingen mag, ist es ja auch die letzte Möglichkeit, dies nochmals schriftlich niederzulegen. So bleibt mir hier nur die Kernaussage übrig.

«Wenn wir uns nicht rasch mit der Aufwärmung der Erdatmosphäre auseinandersetzen, ist alles andere sowieso unwichtig.»

Chomsky ist zweifellos ein Urgestein der amerikanischen Intellektuellen und einer der sogenannten grossen «Denker der Nation». Man muss ein dickes Fell haben, ein gewisses Know-how und Interesse am Weltgeschehen und der amerikanischen Politik und Wirtschaft mitbringen, damit man seine Freude damit hat. Für mich war es aber eine wahre Bereicherung und auch ich denke mir: «es ist noch nicht zu spät!».

 

Für weitere Informationen schaut gerne auf diese Links:

https://archivesspace.mit.edu/repositories/2/resources/1305

http://chomsky.info

 

Fun Fact zu diesem Sachbuch:

Valeria (Chomskys Partnerin) und Noam Chomsky haben neben ihren Hunden auch einen zweisprachigen Papagei, dessen Lieblingsparole «Souveränität für alle Völker der Welt» ist. Diese spricht er aber in seiner Erstsprache Portugiesisch, also: «Soberania para os povos de todas as nações!»

 

Dieses Buch passt zu…

…Menschen mit Interesse an amerikanischer Politik und Wirtschaft

…Rebellen und Bildungsbürgern

…einem Glas Cuba Libre

 

Text: Daniel Klein [www.stimmeundmehr.com]

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