Kultur Kunst Magazin

#Letsmuseeum – Die Frau auf, hinter und vor der Leinwand4 min read

13. Juli 2021 3 min read

Autor:in:

Array

#Letsmuseeum – Die Frau auf, hinter und vor der Leinwand4 min read

Reading Time: 3 minutes

Ich war schon unzählige Male im Kunsthaus Zürich, kenne die Sammlung ziemlich gut. An jenem Donnerstagabend erfahre ich das Kunsthaus aber als einen völlig neuen Ort, und sehe Seiten, die mir bis anhin verborgen blieben. Der Guide Roberta, eine Historikerin, bietet über das Unternehmen #letsmuseeum die Tour «Womamazing» an, welche die Position von Frauen vor, auf oder auch hinter der Leinwand untersucht. #letsmuseeum setzt sich seit der Gründung 2017 für eine alternative Methodik der Kunstvermittlung ein. Es besteht aus einem interdisziplinären Team, dass mittels persönlich gefärbten Wissens, auch Emotional Storytelling genannt, Wissen vermittelt.

Den Rundgang starten wir als erstes mit einem kleinen Schnaps-Shot, den wir vor dem Kunsthaus einnehmen und der zu einem lockeren Start in den Abend beiträgt. Im Museum drin schauen wir uns als erstes Werk eines von Nicolas Poussin an, einem der bekanntesten Vertreter der französischen Barockmalerei, auf dem eine nackte Frauenfigur im Zentrum steht. Es spielt nicht im Besonderen eine Rolle, um welches seiner Werke es sich genau handelt. Denn was uns Roberta schnell klar macht: wir sind dem männlichen Blick zuerst einmal ausgeliefert. Wir müssen uns ansehen, wie eine Frau von zwei Lüstlingen, die als aus der griechischen Mythologie stammenden Satyrs getarnt sind, vereinnahmt wird. Genau zu diesem männlichen Blick möchte sie uns nun im Verlauf der Tour eine Alternative bieten. Roberta stellt uns verschieden Typen von Frauenbildern vor, unter anderem auch die der Hexe anhand eines Gemäldes. Noch heute hat Roberta vor einer spezifischen Hexe Angst, was verdeutlicht, dass gerade solche Typisierungen einen nachhaltenden Eindruck in unserem Frauenbild hinterlassen haben. Sie zeigt uns auf, was für Frauenbilder lange konstruiert wurden.

Roberta blickt aber nicht nur mit einem «kritischen» Blick auf die Werke. Sie hebt für uns auch solche hervor, die starke Frauen gerade von Künstlerinnen zeigen. Germaine Richier’s Skulptur scheint für sie eins zu eins die von Menstruationskrämpfen ausgelösten Schmerzen zu zeigen. Wir können uns alle sehr gut mit dieser Skulptur identifizieren und fühlen einen kurzen Moment von Sisterhood. Roberta arbeitet mit einem iPad und erweitert unseren Blick immer wieder mit ergänzendem Bildmaterial. Dabei arbeitet sie auch interaktiv. Bei der Skulptur Femme von Alberto Giacometti fordert sie uns auf, uns das Werk ganz genau anzuschauen, und die für uns erkennbaren Merkmale einer Frau auf den von ihr mitgebrachten Briefkarten einzuzeichnen. Wir Teilnehmenden zeichnen alle Ähnliches ein. Darauf zeigt sie uns aber auch ihre Interpretation des Werkes und erzählt uns, was der Künstler Alberto Giacometti selbst im Sinne hatte. Roberta verdeutlicht uns damit, wie unterschiedlich man ein Werk lesen kann.

Teilweise durchqueren wir mehrere Ausstellungsräume der Sammlung, um von einem Werk zum anderen zu gelangen. Die Gemälde rauschen nur so an den Augen vorbei und das unterstreicht wiederum, wie männlich geprägt die Kunstwelt doch lange war und noch ist. Roberta erklärt uns währenddessen, dass Werke von Frauen noch immer nur drei bis fünf Prozent der Sammlung des Kunsthauses ausmachen, davon ausgestellt werden schliesslich ein Bruchteil. Leer schluckend lassen wir diese Aussage auf uns wirken.

Zu Beginn der Tour übergab uns Roberta einen kleinen Rahmen, mit dem wir während der Tour für uns starke Darstellungen von Frauen festhalten können und eine gemeinsame kleine Kunstsammlung zusammentragen können. Die Aufgabe gestaltet sich schwieriger als erwartet. Wir erhalten gegen Ende der Führung nochmals fünfzehn Minuten Zeit, um allein durch ein paar Räume zu streifen und ein oder mehrere Werke für unsere kleine Sammlung abzulichten. Interessanterweise wählen ich und jemand weiteres aus der Gruppe Werke vom französischen Maler Félix Vallotton. Uns gefällt beiden, dass die Frauenkörper nicht einer vorherrschenden Schönheitsform entsprechen und sie für sich zu stehen scheinen, ohne einem voyeuristischen Blick ausgesetzt zu sein.

Die Führung von #letsmuseeum erfüllte seine Versprechungen einer alternativen Museumstour vollends. Wir wurden aufgefordert, uns mit den Werken auseinanderzusetzen, sie zu hinterfragen und zu verstehen. Mit einer interaktiven Führung, die sprachlich sehr präzis auf die einzelnen Werke einging, erhielten wir einen anderen Zugang zu Kunst wie bei herkömmlichen Führungen. Bisher besuchen besonders Frauen diese Führung, vielleicht wäre es aber mal an der Zeit, dass sich jedermann hier anmeldet?

Die nächste Führung findet am 2. September 2021 statt.
Weitere Daten und Tickets findet ihr unter: www.starticket.ch
Für noch mehr Infos: www.letsmuseeum.com

Text: Anna Diener

Foto: Basil Stücheli
Array