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Keine Kinder, basta!4 min read

28. März 2022 3 min read

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Keine Kinder, basta!4 min read

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Lange träumte Nadja selbst von einer Familie mit ihren eigenen Kindern, sie fand die Vorstellung romantisch. Sie weiss nicht mehr, wie es genau passierte. Aber eines Tages, als sie aufstand, hat sie sich gefragt: «Wozu eigentlich Kinder? Mag ich Kinder? Habe ich Nerven dafür? Will ich meine Freiheit dafür opfern?» Für sie ist nun sicher, ihr Leben wird kinderlos bleiben. Dafür hat sie ihre Gründe. Und die Gesellschaft akzeptiert dies nur bedingt.

Ein Gastkommentar von Nadja Landolt

«Du brauchst nur den richtigen Mann dazu»

Anscheinend bin ich in dem Alter, in welchem Menschen mich schamlos fragen dürfen: «Du, warum bist du eigentlich nicht in einer festen Beziehung? Wenn du Kinder haben möchtest, musst du dich schon ein bisschen beeilen.» Da rasen mir sehr viele Frage- und Ausrufezeichen durch den Kopf. Ich denke darüber nach, wie übergriffig solche Fragen doch sind und am liebsten würde ich antworten: «Weil ich nicht ein verkacktes, heteronormatives, liberales Einfamilienhaus-Leben führen möchte.» Nein klar, ich bleibe anständig und sage, dass ich einfach keine Kinder haben möchte.

Was dann folgt, ist, ich nenne es «ein O-Face», gefolgt von einem fragenden Blick und zum Schluss ein verdutztes Lachen mit einem verunsicherten Kichern. «Nein, das sagst du jetzt, aber in ein oder zwei Jahren wirst du schon Kinder haben wollen. Du brauchst nur den richtigen Mann dazu.» In diesem Moment gebe ich auf und grinse möglichst unbekümmert zurück.

«Nicht so der mütterliche weibliche Typ: also Kinder hassen»

Meine anderen Erfahrungen, die ich mit dieser Thematik gemacht habe, sind: «Ah ja, stimmt, du hasst Kinder, du bist ja auch nicht so der mütterliche weibliche Typ». Okay, bis hierhin konnte ich das Augenrollen gut vermeiden, aber hier liess ich es nicht einfach geschehen. Als kleine Nebenbemerkung: Ich mag Kinder, aber auch nicht alle. Ganz besonders mag ich welche ohne Rotz und welche, die nicht die ganze Zeit weinen. Aber dass mir die Weiblichkeit abgesprochen wird, das macht mich stutzig. Ich habe nicht gewusst, dass Weiblichkeit durch das Gebären eines Geschöpfes definiert wird. Sie dann zu säugen ist das Nullplusultra. Du bist dann quasi wie eine Naturgöttin, vielleicht wie die griechische Muttergöttin Demeter.

Diese Stigmata sind toxisch, transfeindlich und ableistisch. Erstens haben nicht alle als weiblich gelesenen Menschen einen Uterus oder sind im Stande ein Kind zu gebären. Es gibt auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht gebären können. Sei dies biologisch, physisch oder psychisch. Zweitens gibt es Männer und nicht binäre Menschen, die Kinder gebären können. Dies hat also ziemlich wenig mit Weiblichkeit zu tun.

Von Akzeptanz keine Spur

«Aber wir akzeptieren, dass du keine Kinder haben möchtest», entgegnen mir einige Menschen. Das stimmt nicht. Dass ich Kinder haben muss, das steht sogar in der Verfassung. Ja, richtig gelesen. Die Medizin schreit: «du musst fertil sein, du musst die Schweiz reproduzieren, sei ein Gefäss.» Meine Kritik richtet sich hier an die Medizin, die die Tubensterilisation sowie die Vasektomie, beides minimal invasive Operationen, die zur Sterilität führen, bei Menschen, die noch keine Kinder haben, nicht ausführt. Es wird gemacht, wenn deine Familienplanung abgeschlossen ist, was so viel bedeutet wie, dass du schon mehrere Kinder hast oder nur wenn du eine genetische vererbbare Erkrankung hast, welche massive Konsequenzen für die Nachkommen haben könnte. Mir wurde von Mediziner:innen gesagt, dass sie diesen medizinischen Eingriff aus gesetzlichen Gründen bei gesunden Menschen nicht vollziehen können. Danke dir Gesetz!

Ich schlage vor wir machen das so wie damals, als wir noch nicht abtreiben durften in der Schweiz. Machen wir doch irgendwo Ferien, wo wir uns steril machen lassen dürfen. Zudem verkauft die Medizin Geburt und Schwangerschaft als etwas Grossartiges. Habt ihr schonmal die Webpages von Frauenkliniken gesehen? Ähnelt einem Flyer eines Wellness-Hotels, es gibt besonders schön ausgestattete Zimmer und heisse Bäder. Ein tolles Erlebnis wird den Besucher:innen versprochen. Vor gesundheitlichen Risiken wird nicht gewarnt. Warum auch. Menschen gebären schon seit immer Kinder, das ist in unserer Natur. Sterben tun nur wenige und Langzeitfolgen sind recht selten. Grossartig, ich wollte schon immer mal Stuhlinkontinenz und Depressionen haben.

Leider muss ich hier feststellen, dass wir noch lange nicht so weit sind, über unseren Körper selbstbestimmt zu handeln, besonders nicht, wenn es um FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans und agender) geht.

Vom Aufgeben von Träumen und von Unabhängigkeit

Ich erlebe nicht nur Verachtung, wenn ich mich zu meinem kinderlosen Leben äussere. «Oh ja, du machst es richtig, meine Kinder treiben mich in den Wahnsinn. Und das Schlimmste ist: Wenn du mal Kinder hast, dann hast du keine Sekunde mehr ohne Sorgen.» Wenn ich das höre, dann ist es für mich eine Bestätigung, dass die Gesellschaft und die Politik schon lange die Menschen mit dieser Aufgabe «Elternschaft» allein lässt. Es ist für mich nicht attraktiv, ein Kind in die Welt zu setzen, denn die Care-Arbeit, die ich leisten müsste, wäre nicht bezahlt. Dazu würde ich noch meine Träume und meine Unabhängigkeit aufgeben müssen. Meine persönliche Identitätsentwicklung würde sich in eine Richtung bewegen, die mir so überhaupt nicht gefällt. Sorry, aber ich finde Selbstverwirklichung geil und möchte dieses Privileg nicht aufgeben.

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