B-Sides Festival Musik

Intim und doch energetisch – Kush K am Donnerstag des B-Sides 20226 min read

17. Juni 2022 4 min read

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Intim und doch energetisch – Kush K am Donnerstag des B-Sides 20226 min read

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Die Band Kush K durfte bereits mit ihrem Debut 2020 den von IndieSuisse verliehenen Award für das beste Indie-Album des Jahres entgegennehmen. Am B-Sides 2022 spielen sie als dritte Band am Donnerstagabend. Ich spreche mit Nicola – dem Gitarristen der Band.

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Es ist nachmittags um 14:00 Uhr. Aufgrund der brennenden Sonne ist das «Sunnebärgbähndli» mein Transportmittel der Wahl, um auf den Krienser Sonnenberg zu gelangen. Kaum ausgestiegen bin ich bereits mitten auf dem Festivalgelände. Dutzende von Personen sind hier mit den letzten Vorbereitungen für das B-Sides beschäftigt. Sie montieren Zeltblachen, schleppen Instrumente umher, schlagen Pfosten in die Erde oder sind im Aufbau der Stände involviert. Das emsige, aber entspannte Treiben, das herumliegende Material, die laufenden Soundchecks und die schwitzenden Gesichter erwecken bei mir nicht die Vorstellung, dass bereits wenige Stunden später Hanreti auf der Hauptbühne vor einigen hundert Musikbegeisterten spielen soll. Um 16:30 Uhr darf ich schliesslich Nicola – den Gitarristen der Band Kush K – kennenlernen. Wir begeben uns zur Wiese, einem ruhigeren Teil des Festivalgeländes.

frachtwerk: Wie ist das B-Sides für euch? Ist es langsam, laut, schnell?

Nicola: Es läuft super – alle sind sehr sympathisch und die Stimmung ist sehr entspannt, aber auch hier sind die Tage sehr durchgetaktet, lang und teilweise überfordernd, doch das gehört dazu. Wie gut man damit umgehen kann ist von der Tagesform abhängig. Das B-Sides ist für unsere Szene ein superwichtiger Ort und das Line-Up ist toll und ich freue mich darauf, befreundete Musiker:innen sehen und hören zu können. Von unserer Band waren – ausser mir – auch schon alle mal da. Unser Drummer darf morgen noch mit einer anderen Band auftreten und unsere Sängerin feiert ihren Geburtstag hier.

frachtwerk: Vor einem Konzert müsst ihr drei bis vier Stunden Zeit, um euch gemeinsam einzustimmen. Wie geht es euch jetzt?

Nicola: Bisher war es ein langer Tag, da wir bereits seit 11:00 Uhr hier sind. Einige von uns mussten schon morgens um 08:00 losfahren. Kaum angekommen spielten wir an einer Fieldsession des B-Sides. An einem solchen Festivals passiert immer viel, man lernt in kürzester Zeit viele neue Leute kennen und fängt direkt an mit ihnen zu arbeiten, es ist laut und heiss. Unser Soundcheck ist vorbei und langsam beruhigt sich die Lage und wir können uns auf den Auftritt einstimmen.

frachtwerk: Wie bereitet ihr euch denn auf ein Festival wie das B-Sides vor?

Nicola: Wir haben keine fixen Rituale, grundsätzlich spielen aber Nähe und Distanz eine wichtige Rolle.  Je nach Situation brauchen wir Zeit für uns alleine und finden später wieder zusammen, um uns «einzugrooven». Wir besprechen dann jeweils unsere Stimmung und diskutieren welche Songs wir spielen wollen. Da jedes Festival und jeder Auftritt anders ist, passen wir unsere Setlist jeweils dem Setting an.

«Das Musikmachen erfordert auch emotionale Arbeit.»

Wir treffen uns etwa alle zwei bis drei Monate, um einige Tage am Stück zu proben. Von Sonntag bis Dienstag hatten wir eine solche Session, welche zufälligerweise genau vor dem B-Sides stattfand. Solche Sessions sind intensiv und sie erfordern auch einiges an emotionaler Arbeit. Das widerspricht vielleicht dem gängigen Rockstar-Image (er schmunzelt), doch wenn wir uns genug Zeit dafür nehmen, sind wir danach umso produktiver.

frachtwerk: Wenn es euch schlecht geht, dann kommuniziert ihr das – auch an Konzerten. Musstet ihr auch schon Auftritte abbrechen wegen der Stimmung?

Nicola: Bisher gab es Konzerte bei denen es geregnet und gestürmt hat und es zu Stromausfällen kam. Dort mussten wir das Konzert unterbrechen, allerdings aufgrund von technischen Problemen. Grundsätzlich sind wir aber Profis und als solche können wir Auftritte auch durchziehen, selbst wenn wir nicht besonders gut drauf sind.

frachtwerk: Eure Musik und auch die Ästhetik eurer Pressebilder oder Albumcover erinnert stark an die 1960er Jahre. Man könnte euch als atmosphärischer Psychedelic-Folk-Retro-Pop bezeichnen. Was verbindet euch mit dieser Zeit?

Nicola: Unsere Musik wurde einst als «Utopic-Pop» bezeichnet, was für mich ein sehr passender Begriff war. Wir befassen uns mit Popmusik, sind aber klar Indie und grenzen uns vom Mainstream bewusst ab. Grundsätzlich teilen wir mit den Hippies der 60er ähnliche Werte: Peace, Love, Gleichstellung. Utopie halt.

frachtwerk: Ist eure Musik in diesem Sinne politisch?

Nicola: Meiner Meinung nach ist jede Band politisch, welche auf einer Bühne steht und gesehen wird. Bewusst oder unbewusst. Wir nehmen beispielsweise keine Auftritte an Festivals an, welche nicht unseren Wertvorstellungen entsprechen. Eine solche Entscheidung ist politisch. Bei uns sind es weniger die Texte als vielmehr unsere gemeinsam gefällten Entscheide welche politisch sind.

frachtwerk: Eure Musik entsteht durch intime Sphären und erschafft wiederum intime Sphären. Fehlt uns die Intimität als Gesellschaft?

Nicola: Solche Plätze fehlen uns definitiv. Unser System ist nicht auf Menschen ausgerichtet, welche Probleme mit Lärm und sensorischer Überreizung haben. Deswegen bin ich definitiv dafür, dass es mehr ruhige Plätze in unserer Gesellschaft geben soll. Gerade heute habe ich von einem Mann in Estland gehört, welcher ein Reservat für introvertierte Menschen in Estland geschaffen hat. Partys mit maximal einer Person sind allerdings erlaubt. Das persönlich fand ich ein grossartiges Projekt. Denn egal, ob man die Geschwindigkeit und den Lärm gern hat, schlussendlich muss man sich anpassen. Da hat man keine grosse Wahl.

frachtwerk: Das Gerüst des Songs Magpie war nur eine Skizze, auf deren Basis ihr improvisiert habt. Welche Rolle spielt die Improvisation und das Spontane bei eurer Band?

Nicola: Die Improvisation spielt eine wichtige Rolle. Grundsätzlich gibt es aber bei uns zwei verschiedene Settings: Das Live-Setting und das Studio-Setting. Im Studio können wir uns aufeinander einstimmen, uns Zeit lassen und in einem intimen Rahmen Musik kreieren. Live geht das weniger, dort ist der Rahmen ganz ein anderer, man hat einen begrenzten Zeitraum, aber auch auf einer Bühne lassen wir uns Freiräume. Wenn wir merken, dass wir gerade im Flow sind, dann improvisieren wir gerne. So kann ein Song mal fünf oder fünfzehn Minuten dauern. Auch die Setlist passen wir teilweise kurz vor oder auch während den Konzerten an, wenn wir merken, dass ein anderer Song die Stimmung des Publikums oder von uns besser «fitted».

frachtwerk: Wir merkt ihr live, dass ihr jetzt eine Improvisation nach fünf oder nach zehn Minuten beenden wollt?

Nicola: Die anderen schauen sich grundsätzlich an, ich bin mehr der «Shoegazer». Aber grundsätzlich gehen wir alle mit dem Flow. Wir hören aufeinander und spüren, wann und wie wir im Song weitermachen wollen. Das ist das Spannende bei der kollektiven Improvisation, dass niemand einzelnes den Entscheid trifft, sondern dass sich oft alle gleichzeitig dafür entscheiden, die Improvisation zu beenden.

Einige Stunden später wird Nicola auf der B-Sides-Bühne stehen und mit seiner Band Kush K ein energetisches Live-Konzert spielen. Die Musik ist oft ekstatisch und energiegeladen. Auf den Studioaufnahmen ist die Musik ein ruhiges Plätschern, während sie live ein mitreissender Strom ist.

© Titelbild: Milena Müller

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