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«Easy Sleezy» – Interview mit District Five am Tag 2 des B-Sides 202210 min read

19. Juni 2022 7 min read

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«Easy Sleezy» – Interview mit District Five am Tag 2 des B-Sides 202210 min read

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Es ist schön, am Freitag auf dem Sonnenberg in Kriens zu sein. Am frühen Abend ist die Stimmung gelassen, einige Leute bereiten sich noch für den grossen Ansturm vor und die Artists machen es sich gemütlich im Backstage. Die B-Sides-Atmosphäre hüllt mich wohlig ein. 

Die vier Jungs von District Five lerne ich als sehr zugänglich und flexibel kennen. Vor dem Interview lassen sie sich von uns ablichten und wählen dann einen kleinen Wiesenabschnitt aus für das Interview. Paul Amereller, der Schlagzeuger, Xaver Rüegg, der Bassist, Vojko Huter, der Gitarrist und Sänger und Tapinawe Svosve, der Saxofonist, Sänger und Keyboardist beantworten meine Fragen.

frachtwerk: Habt ihr schon mal am B-Sides spielen können?

Tapiwa: Hey nein, das erste Mal – first time, darum sehr freudig.

frachtwerk: Euer Sound ist viel Improvisation und experimentell. Wer ist, sofern es das gibt, die Person die den Lead übernimmt?

Paul: Es wechselt. Mal hat Vojko den Lead bei den Vocals, mal ist es Taps (Anmerk. Red.: Tapiwa). Es geht so hin und her. Beim Komponieren – wie unsere Stücke entstehen, das ist auch mega unterschiedlich.  Mal bringt jemand eine Skizze, meistens ist das Vojko oder wir jammen relativ häufig und dann ergibt sich so was. Also wir funktionieren sehr fest als Kollektiv, es hat kein Leader.

Vojko: Genau und spezifisch noch zu der Impro, da ist sehr ein Kollektivgedanke dahinter, da können alle reingeben, was sie gerade fühlen in dem Moment. Und ja, das machen wir gemeinsam, da übernimmt niemand so den Lead oder so.

frachtwerk: Wie ist das mit dem Proben – ihr seid ja aus Zürich. Habt ihr da einen Raum, ist dies erschwinglich in Zürich?

Xaver: Wir haben mega Glück wir haben so ein Untergrundluftschutzkeller, der glaub von der Stadt ist. Der ist sehr günstig, aber da müssen wir auch mal raus. Also wir suchen einen neuen Bandraum also helft uns (lacht)! Ja, und wir sagen manchmal, dass Gott nicht sieht, was da passiert (lacht). Es ist wie unser Raum zu viert. Es ist ein mega schöner Ort für uns. Wo wir machen können was wir wollen 24 Stunden. Das ist eigentlich super.

Tapiwa: Es wirkt so wie eine Christian Band (lacht).

frachtwerk: Du (Xaver gemeint) hast eben angesprochen, Gott sollte dies nicht sehen. Was passiert denn, ist es das musikalische Experiment oder ist es das Rundherum – wilde Zeiten?

Paul: Voll – beides. Ich glaub, wir haben den Raum schon mega lang zusammen und so viele Processes dort musikalisch durchgemacht. Aber auch menschlich – haben extrem oft dort abgehängt – haben irgendein Stummfilm vertont. Und ja, wir spielen auch schon 7 Jahre miteinander. Und es passiert mega viel in dem Bandraum. Und auch lustige Sachen, und eben vielleicht auch Sachen, die Gott manchmal– wer auch immer das ist, nicht sollte – das bleibt einfach dort unten. Es ist so unser sacred space.

frachtwerk: Wie ist das mit Projekten, die ihr alle noch nebenbei habt? Wie bringt ihr dies unter ein Dach oder wie ist das so im Business, wie funktioniert es bei euch finanziell in der Schweiz?

Vojko: Es funktioniert einfach irgendwie oder es funktioniert auch nicht und dann geht’s trotzdem irgendwie noch schlussendlich. Es ist nicht unbedingt einfach. Aber ja, also ich mein wir sind am Aufbauen. Wir haben jetzt ein Album rausgegeben «Burnt Sugar». Und wir haben schon zwei neue Alben ready zum Rausgeben. Also das andere sind wir noch so am fertig machen. Und natürlich auch mit der Hoffnung, dass wir das Ding aufbauen kann, dass es auch so funktioniert, dass man nicht jenste Projekte nebenbei haben muss, obwohl es natürlich mega Spass macht um Durchzukommen finanziell. Ja oder nicht Projekte sondern auch sonst arbeiten.

frachtwerk: Wie ist «Burnt Sugar» angekommen bei den Leuten?

Xaver: Ehm eigentlich mega schön, wir haben mega viele schöne Feedbacks erhalten. Wir sind ja auch noch auf Tour gewesen in Deutschland und in der Schweiz mit dem Album. Und wir haben zum ersten Mal Platten LPs die man auch kaufen kann und die man bei Tree in a Field Records bestellen kann. Voll, also es war mega schön und toll.

frachtwerk: Was sind Inspirationsquellen, kommt ihr da mit verschiedenen Genreinspirationen in die Band hinein und wie beeinflusst dies euer Sound?

Tapiwa: Ja, ich glaube voll, mega viel verschiedene – wir hören alle doch auch recht verschiedene Sachen und schicken uns auch mal mega verschiedene Sachen. Und sind auch froh – ich hab das recht oft, manchmal bin ich uninspiriert zum was hören und dann schickt jemand wieder etwas und nachher kann man in das rabbit hole rein und so. Wie sich dass dann genau in unserer Musik ausdrückt, das passiert glaub ich auch mega viel auf subconscious-Ebene. Es ist jetzt nicht so, dass wir jetzt finden, dass wir das und das machen wollen und für das brauchen wir das und das, sondern das passiert recht organisch. Und es haben alle recht offene Ohren für die verschiedenste Musik, also voll querbeet was mega geil ist und da weiss man auch selber, dass man auch selber mega viel musikalische Freiheiten hat, weil auch alle so offen sind, würde ich sagen.

Vojko: Noch zu dem, wir haben einmal so eine Playlist gemacht für Orange Peel. Die ist auf Spotify, vielleicht auch auf anderen Streaming-Diensten – ich weiss nicht. Aber auf Spotify findet man die. So ein paar Inspos von uns.

Drück hier, um die besagte Playlist zu öffnen.

frachtwerk: Wie ist das so – du (Paul) hast jetzt angesprochen, dass ihr schon lange Erfahrungen teilt in dem Bandraum. Wie lange kennt ihr euch schon und wie ist die Band entstanden?

Paul: Vorher habe ichs schon gesagt – jetzt sind es dann schon 7 Jahre. Zuerst haben Xaver und ich uns gekannt, angefangen zu spielen und Vojko, der Gitarrist und Tapiwa, der Saxofonist haben sich noch früher irgendwie gekannt. Dann haben ich und Xaver mit dem Vojko etwas begonnen zu spielen und dann hat Vojko gesagt: «Hey, ich kenne einen genialen Typ und ein super Saxofonist» und das war Taps (Tapiwa). Und dann haben wir angefangen zu spielen und irgendwie es ist mega schnell intensiv worden, wir haben mega viel Zeit miteinander verbracht und nachher sind wir auch richtig gute Freunde worden. Seit dort ist es mega konstant. Und das Spannende ist, irgendwie in dieser Band entwickelt es sich immer weiter. Und ich glaube, darum machen wir auch nach sieben Jahren immer noch so gerne Musik miteinander. Weil stetig werden wir gegenseitig inspiriert und es ist irgendwie nicht langweilig. Und das finde ich mega speziell. Wollt ihr noch etwas sagen?

Vojko: Nein, ist gerade gut.

frachtwerk: Wie ist das, ihr habt in Deutschland touren können. Es nimmt also auch Fahrt an, was sind eure Ziele wenn ihr welche habt?

Vojko: Unsere Ziele sind die, einfach dass wir gerne noch mehr spielen wollen und einfach diese Musik noch viel mehr Leuten weitergeben wollen. Und einfach unser Bandspirit, den wir haben, irgendwie einfach vielen Leuten weitergeben können, weil es ist schon etwas schönes wie eine solche Band funktionieren kann. Und ja, das kann man schon irgendwie sharen mit den Leuten. Und ja auch mehr Alben rausgeben. Bis jetzt sind noch nicht so viele Sachen draussen, aber eben an dem sind wir recht dran und eben mega exicted für die nächsten Releases und Konzerte, die alle kommen.

frachtwerk: Wie ist das so mit Live-Auftritten, fühlt ihr euch da wohl, oder gibt es da vielleicht auch jemand der lieber in the rabbit hole produziert oder wie ist das bei euch, gibt es da unterschiedliche Typen?

Xaver: Ich glaube, wir treten alle sehr gerne live auf, vor allem auch eben zu viert. Und machen das auch schon mega lange. Also wir haben wirklich auch seit es uns gibt, schnell angefangen Touren zu spielen in Europa, in Deutschland. Darum für uns ist es auch ein bisschen – es klingt jetzt negativ, aber es ist mega ein Alltag geworden, wo es irgendwie super ist, so performen, auftreten. Und das gibt uns auch mega viel Energie zum nachher wieder neue Songs schreiben zusammen und dann ins Studio zu gehen und diese Arbeit wieder aufzunehmen. Es ist immer so ein Ping Pong zwischen dieser Live-Experience und dann wieder zusammen zu viert arbeiten zu gehen so.

Paul: Voll, und ich glaub, was für uns schon mega wichtig ist – an diesen Live-Auftritten passieren schon auch die krassen Experimente, wo wir zusammen erfahren wollen – die Experiences live. Da passieren wirklich magic-Sachen und darum wir spielen mega gerne, mega fest.

frachtwerk: Jetzt im Hinblick auf heute Abend, wie geht ihr an das Konzert heran, habt ihr eine Song-List oder ist das wirklich Improvisation und Aufnehmen vom Crowd?

Tapiwa: Ja, es gibt eigentlich eine Set-Liste, da man an Festivals recht mit der Zeit schauen muss. Aber es kann natürlich gut sein, dass vielleicht noch etwas passiert oder dass man dann während dem etwas verschiebt. Wir spielen gewisse Songs, die wir noch nie live gespielt haben heute Abend. Wir haben ein ein bisschen neues Set gemacht, als jetzt das von unserer letzten Tour, also von dem her probieren wir heute Abend eigentlich wieder etwas Neues und sind gespannt, wo das «häre gheit».

frachtwerk: Danke auf jeden Fall für eure Zeit.

 

Nach sehr gelungenen, aber auch sehr unterschiedlichen Auftritten von Malummí, Soukey und KT Gorique war es dann so weit und das Zürcher Quartett spielte auf der B-Stage.

Sie betreten die Bühne. Und kaum hat es begonnen, ist man mitten im Geschehen. Sie spielen mit wenigen Unterbrüchen, sehr aufeinander abgestimmt und doch scheinbar improvisiert. Es ist klar, dass bei ihnen die Musik im Vordergrund steht, niemand hält grössere Ansprachen. Mal klingen sie nach Indie-Folk mit Reminiszenz zur Band L.A. Salami, oft bringen sie Jazz-Elemente hinein und teils klingt ihr Sound psychedelisch. Ihre Musik ist von Höhen und Tiefen geprägt, wie dies in der Improvisation üblich ist. Die Musikleidenschaft ist stark spürbar, die Saxofon-Klänge sind eindeutig, was diese Band von anderen Bands abhebt. Die offensichtliche Kombination von modernen Musikrichtungen wie Indie Rock mit dem sehr jazzig gespielten Saxofon führt zu einer sehr gelungenen Verschmelzung. Auch fallen die teils asymmetrischen Takte auf, die gerade auch die technische Leistung von Amereller am Schlagzeug demonstrieren.

Im Gegensatz zu der spielerischen und im Scheinwerferlicht aufgehenden KT Gorique (hier gehts zum Interview mit ihr von 2020), wirken die vier Jungs von Zürich gerade etwas scheu und distanziert. Aber sie blühen während ihres Sets mehr und mehr auf und der Schlagzeuger tauft sogar einen frisch gespielten Song «Easy Sleezy».

Das Konzert nimmt für mich einen Höhepunkt, als die Melodien sich wiederholen, die Musik einen Psychedelic-Rock-Touch bekommt. Vojko Huter singt dabei mit seiner in Effekten gehüllten Stimme immer wieder das Wort «Reflections». Allgemein nimmt der Gesang mehr die Ebene eines Instruments ein, er ist weder sehr vordergründig noch tiefgründig.  Nach einer sehr abwechslungsreichen musikalischen Performance, die so einiges bereit hält für Fans von Jazz, Math-Rock oder Indie, verlässt das Zürcher Quartett ohne Zugabe und grosser Inszenierung bei Sonnenuntergangsstimmung die Bühne.

Wer am vorgestrigen Auftritt von District Five nicht dabei war, kann sie am 4. August im Sihlhölzli Park im Rahmen des Stadtsommers live erleben (sogar kostenlos).

Bild: Jan Rucki

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