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Den wahren Kern der Dinge malen – «Mondrian Evolution» in der Fondation Beyeler3 min read

19. September 2022 3 min read

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Den wahren Kern der Dinge malen – «Mondrian Evolution» in der Fondation Beyeler3 min read

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Im ersten Saal der Ausstellung stehe ich ziemlich verblüfft da und bin damit nicht allein. «Das hätte ich nie als Mondrian erkannt«, posaunt ein Herr, lachsfarbenes Polohemd, Kennerblick, eine Hand am Kinn und eine an der Hüfte, in die grobe Richtung seiner Begleiterin. Er steht vor einem blauen Wald, grob gepinselt, in kontrastierenden Farben. Die Ausstellung «Mondrian Evolution» in der Fondation Beyeler zeigt Mondrian zwar auch so, wie ich ihn bisher kannte – rechtwinklig, geometrisch abstrakt, beschränkt auf die Grundfarben sowie Schwarz, Weiss und Grau. Die Ausstellung zeig aber sehr geschickt, wie Mondrian zu seinen berühmten Abstraktionen kam.

«De rode boom, 1908–1910» (Bild: Wikimedia)

Mondrians Entwicklung reicht von der typisch niederländischen Landschaftsmalerei über den Expressionismus und den Kubismus bis hin zu den Gemälden in der von ihm und Theo van Doesburg begründeten Richtung «de Stijl», die um 1920 entstanden. Einmal werden Entwicklungen Bild für Bild nachvollziehbar gemacht, dann wiederum werden auf den ersten Blick sich nicht ähnelnde Werke so ausgestellt, dass Parallelen sichtbar werden. In einem grossen Saal hängen Windmühlen und kubistische Gemälde. Die Windmühlen in Froschperspektive erscheinen mir zunächst unnahbar und statisch, während sich die Quadrate in den abstrakten Gemälden zu bewegen scheinen. Als mir aber die Ähnlichkeit zwischen den Quadraten, kubistischen Gemälden und den Gittern der Mühlenflügel auffällt, drehen sich die Mühlen mit. Die Architektur- und Landschaftsmalereien, realistische wie abstrakte, sind an sich beeindruckend und dazu clever ausgestellt. Vor den berühmten Abstraktionen, im letzten Saal der Ausstellung, bleiben die meisten Besucher:innen am längsten stehen. Sie haben auch auf mich eine Wirkung, die ich auf kleineren Abbildungen oder dem Bildschirm nicht erahnt habe. Am Ende der Ausstellung spielt in einem Video ein Schauspieler einen von Mondrians Texten inspirierten Dialog zwischen zwei Mondrians. Es hört sich an wie eine Philosophie Vorlesung – muss man mögen – gibt aber dadurch eine grobe und schön dargestellte Ahnung von den Gedanken hinter dem Wandel des Künstlers. Mondrian versuchte den wahren Kern der Dinge zu malen, die Realität an sich – der die gegenständliche Malerei ohnehin niemals gerecht werden würde. Von sich selbst gefragt, ob er sich denn von der rührenden Schönheit der Natur abgewandt habe, antwortet Mondrian sich selbst sinngemäss, dass er die Schönheit dieser Dinge abzubilden versuche. Nur eben in ihren wahren Kern. Das Essenzielle aus hell, dunkel, gelb, rot und blau, das unvergängliche Wesen hinter der sichtbaren Realität.

«New York City, 1942» (Bild: Wikimedia)

 

«Mondriaan Molen bij zonlicht, 1908» (Bild: Wikimedia)

Die Ausstellungen in der Fondation Beyeler präsentieren oft klassische Grössen der Kunst und das Publikum wirkt auf mich zumindest teilweise etwas elitär. Davon solle man sich nicht abschrecken lassen. Die Ausstellungen sind sorgfältig durchdacht. Im Fall «Mondrian-Evolution» fokussiert sich das Beyeler auf die Entwicklung des Künstlers. Die Architektur und der Garten der Fondation Beyeler – im Sommer mit Ausblick über ein mit Mohn gesprenkeltes Weizenfeld – mit wechselnden Kunstwerken und dem Froschteich liebe ich. Hier verarbeite ich die gesammelten Eindrücke der Ausstellung. Liegend, spazierend oder im Garten Café im Gespräch mit Freund:innen und Unbekannten.

Die Ausstellung «Mondrian- Evolution» ist noch bis zum 9.10 in der Fondation Beyeler zu sehen. Eintritt frei für unter 25-jährige/Erwachsene 25.– / IV 20.–

Text: Fiona Odermatt
Bilder: Wikimedia
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