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Wenn musikalische Professionalität einschüchtert: Die Nerven in der Kaserne Basel3 min read

14. November 2022 2 min read

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Wenn musikalische Professionalität einschüchtert: Die Nerven in der Kaserne Basel3 min read

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Wenn Einschüchterung und Professionalität an einem Konzert eine Rolle spielen, dann an einem der Band «Die Nerven». Das Trio aus Stuttgart spielte am Freitagabend in der Kaserne und legte eine an Tightness kaum zu überbietende Show an den Tag.

Alles beginnt mit dem Tod. Gitarre «spielend» begrüsst er uns nämlich im noch halbleeren Club der Kaserne Basel. In der vordersten Reihe wird noch gequasselt, die komplett vermummte Gestalt mit der Sensemann-Kapuze treibt den beiden Gästen das Verhalten umgehend aus, lässt sie sogleich eingeschüchtert verstummen. Erst mit Händen und dann mit Beil als Plektrum verwendend annonciert uns die experimentelle und durchaus effektreiche One-Person-Show Die Nerven.

Passend zum kuriosen Auftakt in einen hochmusikalischen Abend eröffnet die Stuttgarter Band Die Nerven mit ihrem Track «Europa» und den Lines «Und ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie» ihr Live-Set. Also: fertig gestorben, zurück zur zynisch geladenen Realität des Konzertabends.

Kalte Professionalität ist nicht alles gewesen

Was in den nächsten anderthalb Stunden auf der Bühne der Kaserne Basel vor sich geht, ist von einschüchternder Perfektion. So unharmonisch gewisse Klänge auch durch den Saal schrillen, desto harmonischer ist das Zusammenspiel des Trios auf der Bühne. Ohne eine Miene zu verziehen, spielen sie ihre ersten paar Songs, ehe sie mit einem eindruckslosen «Wir sind die Band ‘Die Nerven’, danke für die Einladung» ihrer bisher menschenfremd anmutenden Performance etwas Charme entgegenbringen.

Tatsächlich macht es die Musik der Band einem:r nicht ganz einfach, ein Übermass an lebensfröhlicher Energie verbreiten oder zumindest verspüren zu können. Das ist jedoch nicht falsch zu verstehen: Max Rieger, Kevin Kuhn und Julian Knoth, die gemeinsam Die Nerven bilden, legen auf der Bühne eine Dynamik an den Tag, die so aussergewöhnlich ist, dass die bisher eher melancholisch und cholerisch wirkende Performance sehr schnell zu einer nicht mehr nur hochprofessionellen, sondern auch in eine sowohl fesselnde als auch vergnügliche Show übergeht.

Wo bloss Musik zu Beginn eine Rolle spielte, darf das Publikum in der zweiten Hälfte des Konzerts mehr gesprochenes Wort zwischen den einzelnen Tracks und auch performative Bewegungen geniessen. Insbesondere der zwei Jahre nach Bandgründung im Jahr 2012 zur Band gestossene Drummer Kevin Kuhn zog die Blicke der Crowd während der ganzen Show immer wieder auf sich, wo er doch immer wieder stehend, ganz ohne Stuhl und Schuhe sein Schlagzeug dominiert und mit Grimassen mit dem Publikum korrespondierte.

Wenn die Band kompromisslos bestimmt, wo es lang geht

Das Konzept, welches sich durch die ganze Dauer des doch eher längeren Sets zieht: Die Band kontrolliert die Masse und nicht umgekehrt. Für Kompromisse ist keineswegs Platz, und auch lautstärketechnisch bahnen Die Nerven den Weg vor. Und dieser Weg ist ein lauter. Während das ganze Konzert äusserst leger gemischt wird, wird auch zu kompletter Stille aufgerufen, den Fokus auf die Divergenzen legend, die sich sowohl lautstärke- als auch musikstilmässig durch den ganzen Abend begleiten.

Die Nerven wissen, dass sie gut sind, und verkörpern diese Haltung auf der Bühne. Sie haben mit ihrer Annahme recht, überzeugen sie doch immer wieder als einer der stabilsten Live-Acts, die es derzeit aus dem deutschsprachigen Teil der Welt zu sehen und hören gibt. Und sie schaffen es, mit ihrer eigenen Selbstüberzeugung beinahe etwas zu ärgern. So möchten wir an jenem Abend nicht mehr Freunde von ihnen werden. Begeisterte Zuschauer:innen waren wir jedoch liebend gerne – und sind es gerne immer wieder.

Titelbild: Jan Rucki

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