Kultur Kunst Magazin

Kunst hat viele Gesichter und ist für Jedermann – Zu Besuch bei der Kunstplattform «akku»7 min read

5. Dezember 2022 5 min read

Autor:in:

Array

Kunst hat viele Gesichter und ist für Jedermann – Zu Besuch bei der Kunstplattform «akku»7 min read

Reading Time: 5 minutes

Anfangs September bin ich aus Zug in die Luzerner Neustadt gezogen. Jetzt, neu in Luzern, will ich die Stadt und all ihre Facetten richtig kennenlernen. Dazu gehört auch die Kunstszene. Nichtswissend und mit leerem Rucksack, doch mit viel Neugier machte ich mich auf eine kleine Reise in den Luzerner Kunstkuchen. Auf dieser Reise habe ich in den letzten zwei Wochen Luzern erwandert und mich mit zwei Menschen getroffen, die mitten im Kuchen drin schwimmen. In diesem ersten Beitrag schreibe ich über mein Treffen mit Florence Anliker, der Frau hinter der Kunstplattform «akku» in Emmenbrücke. Mein Gespräch mit der Künstlerin Lotta Gadola, deren Performance ich an der Vernissage bei akku bewundern durfte, bekommt ihr nächste Woche zu lesen.

 

Auf Visite bei akku
Als ersten Stopp, besuche ich die Kunstplattform akku. Gelegen am Tor der Viscosistadt ist es von meiner Hochschule in Emmenbrücke ein Katzensprung dorthin. Trotzdem ist mir das Gebäude mit dem grossen schwarzen Schriftzug auf meinem täglichen Schulweg noch nie aufgefallen. An einem Dienstagmorgen zieht es mich nun endlich mal an die Gerliswilstrasse 23 und ich treffe mich mit Florence Anliker, der Geschäftsführerin von akku. Sie hat vor knapp einem Jahr die Kunstplattform übernommen und stemmt akku momentan als einzige Vollzeitmitarbeiterin. Alleine ist Florence jedoch nicht. Zusammen mit angestellten Student:innen, Gastkurator:innen und lokalen, nationalen und internationalen Künster:innen belebt sie die Räume der ehemaligen Industrielagerhalle.

Florence bittet mich herzlich herein und ein paar Minuten später folge ich ihr mit einem Pfefferminztee in der Hand die Treppen hoch in den Ausstellungsraum. Dort wird rege die nächste Ausstellung aufgebaut, deren Vernissage ich ein paar Tage später besuchen werde. Mich interessiert heute vor allem: Wer/Wie/Was ist akku? Das Gespräch mit Florence inspiriert mich sehr und ich nehme mir je länger, desto mehr vor, die kurzen Gehminuten von meiner Schule zur Kunstplattform öfters vorzunehmen. Es ist Florence nämlich ein grosses Anliegen, die Faszination und Facetten der Kunst ihren Besuchern zu zeigen und mitzugeben. «Kunst ist für alle und ist keinesfalls etwas exklusives oder elitäres», betont sie. akku will die verschiedensten Leute an die Kunst führen und die Kunst an die verschiedensten Leute bringen. Dafür sollen die Besucher auch involviert werden, wie zum Beispiel durch die Aktivfläche bei ihrer letzten Ausstellung «Zeitspuren», wo jede:r Künstler:in wurde und mit Stift an die Wand zeichnen durfte.

«Kunst ist für alle und ist keinesfalls etwas exklusives oder elitäres»

«Für mich bedeutet akku Neuerfinden. Das Schöne liegt darin, dass ich den Raum immer wieder erneut bespielen kann. Jede Ausstellung ist von Grund auf komplett anders und dieses sich Neuerfinden schätze ich sehr und macht mir extrem Spass», erzählt Florence. Diese Faszination will Florence auch ihren Besuchern mitgeben. Ihr Wunsch ist es, dass akku bei den Besuchern einen Nachhall erzeugen kann, was immer der auch sei. Ob Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen alles ist ein Erfolg in Florence’s Augen. So trete auch ich nach einer Stunde mit vielen positiven Gedanken, inspirierenden Ideen und enthusiastischen Gefühlen aus der alten Viscosi Lagerhalle heraus an die kühle, frische Luft. Gespannt wie eine Feder und voller Vorfreude laufe ich am grossen Poster der Vernissage vorbei, die mich ein paar Tage später zurück an die Gerliswilstrasse 23 ziehen wird.

Eine gelungene Vernissage
Es ist kurz nach sechs Uhr abends am Freitag, 18. November, und ich mache mich auf den Weg zum Auftakt der Ausstellung «Werkbeiträge Auszeichnungen des Jahres 2021». Dort werden mich Werke von sechs Luzerner Künstler:innen erwarten. Die Werke von je drei Künstler:innen in der Kategorie Freie Kunst und in der Kategorie Angewandte Kunst Illustration und Animation sind dort zwei Wochen lang ausgestellt.

 

Um sieben Uhr betrete ich erneut das Foyer der Kunstplattform akku. Ich gehe die Treppe hoch in den ersten Ausstellungsraum, wo ich warme Stimmen vernehme. Einige Leute haben sich schon im Raum verteilt und begutachten die Werkbeiträge der freien Künstler:innen. Mir fällt zu allererst die positive Stimmung im Raum auf. Die Besucher:innen der Vernissage tauschen sich fröhlich in Gruppen aus. Man spürt die Verbundenheit, das Interesse an der Kunst und die Vorfreude auf einen gemütlichen Abend.

Ich orientiere mich zuerst ein bisschen im Raum und schaue mir die Kunstwerke der drei ausgezeichneten Künstler:innen der Kategorie freie Kunst, Barbara Davi, Lotta Gadola und Anna-Sabina Zürrer, an. Mich beeindrucken die künstlerischen Auseinandersetzungen mit unserem Umfeld und mit sozialen Normen. Während meiner Runde durch den Raum treffe ich auf Florence. Ich bin froh, ein bekanntes Gesicht zu sehen und wir unterhalten uns kurz. Sie sagt mir, dass sie sich freut, diesen Abend so viele junge und jung gebliebene Gesichter zu sehen.

In der Zwischenzeit hat sich der Raum ersichtlich mehr gefüllt. Die Stimmen hallen im hohen Raum. Es sind Gespräche unter Bekannten, Gelächter unter Freunden und Geplapper von den jüngsten Gästen zu hören. Aufs Mal verstummt die bewegte Geräuschkulisse und eine junge Frau tritt aus der Menge hervor. Silja Olivia Risi, Fachverantwortliche der Kulturförderung Luzern, hält eine kurze Ansprache und eröffnet damit die Ausstellung der Werkbeiträge in Luzern. Gespannt hören wir ihr alle zu, währenddem sie die ausgezeichneten Künstler:innen vorstellt.

Schon kurz vor der Ansprache von Silja ist mir eine Frau im Raum aufgefallen. Angezogen in schwarzen Trainerhosen, T-shirt und Sportveste setzt sich die junge Frau auf den Boden. Dabei hat sie eine Cola-Dose, die sie zum Mund führt, wieder absetzt und dabei ihren Fuss aufstellt und danach wieder am Boden ausstreckt. Diese Bewegung wiederholt sie immer und immer wieder, gleichzeitig wird ihr Tempo dabei schneller. Zusammen mit vier anderen ist sie Teil einer Performance von Lotta Gadola, die beiläufig und unbemerkt aus der Menge heraus startet. Ich bemerke sie nicht sofort und bin zuerst kurz irritiert. Nach ein paar verwirrten Sekunden wird jedoch klar: Diese Personen sind Teil der Performance «Strike a Pose», die im Raum verteilt stattfindet.

 


Ich schaue gespannt minutenlang der Performance zu, die sich vor meinen Augen abspielt. Sie zieht mich regelrecht in ihren Bann und dabei erwische ich mich immer wieder, wie mich die Posen der Performer:innen an meine eigene Körpersprache und unbewusste Körpermuster und -bewegungen erinnern. Ich erkenne mich in den Figuren wieder und fühle mich irgendwie ertappt. Die Performance ist für mich auch aus einem anderen Grund spannend. Ich habe nämlich eine Woche nach der Vernissage ein Treffen mit Lotta vereinbart, um über ihr Schaffen als Künstlerin zu sprechen.

Nach rund zwanzig Minuten aufmerksamen Betrachtens von «Strike a Pose» entferne ich mich vom Ausstellungsraum der freien Kunst und betrete den Industrieraum im Erdgeschoss, wo die angewandte Kunst ausgestellt ist. Die hallenden Stimmen verstummen fast ganz und sind nur noch leise im Hintergrund zu hören. Es sind weniger Besucher hier und ich kann mir in Ruhe die Werke von Jadwiga Kowalska, Anja Wicki und Michel Ziegler anschauen. Auch diese Kunstwerke beeindrucken mich. Die Illustrationen und Animationen erzählen Geschichten aus dem Alltag junger Personen, die mit verschiedenen Leiden zu kämpfen haben. So versucht etwa Eva im Graphic Novel von Anja Wicki mit einer psychischen Krankheit ohne Namen umzugehen.

Nach einer Zeit verlasse ich auch diesen Raum wieder, verstaue mein Notizbuch im Rucksack, packe mich warm ein und trete hinaus in die Novembernacht. Ich lasse die Stimmen und akku hinter mir. Die Eindrücke und Gedanken, die dieser Abend in mir ausgelöst haben, nehme ich aber mit mir mit.

Der erste Teil meiner Luzerner Kunstreise endet hier. Ich habe mir schon jetzt vorgenommen, hin und wieder bei akku vorbeizuschauen. Der zweite Teil meiner Reise führt mich ins Atelier von Lotta Gadola , wo wir ein spannendes Gespräch über ihr künstlerisches Schaffen hatten.

 

Text: Stefanie Bumbacher
Fotos: Ausstellungsansichten aus akku von Stefanie Bumbacher
Array