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Pomme und das «spectacle magnifique» im Kaufleuten4 min read

1. Februar 2023 3 min read

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Pomme und das «spectacle magnifique» im Kaufleuten4 min read

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Kann sein, dass die französische Sprache nicht jedermenschs Sache ist. Obs an der fast willkürlichen Aussprache oder an den unzähligen Ausnahmen liegt, lässt sich nicht sagen. Doch spätestens nach dem Konzertabend von Pomme im Kaufleuten bin ich überzeugt davon, dass sich jene Ansicht bei so manchen ändern könnte. Gerne nehme ich Dich mit auf «une rétrospective» des Montagabends und somit auf den Zwischenstop der «Consolation»-Tour in Zürich.

Begonnen hat der Konzertabend mit dem Auftritt von Support-Act Pi Ja Ma. Während ich in Luzern aufgrund eines Zugausfalls auf die nächste Verbindung warten musste, hatte Pi Ja Ma das Publikum bereits warm gesungen und mit einer unserer Landessprachen vertraut gemacht. Für einen letzten Song und einen bühnenreifen Abgang inklusive Bespielen der Gitarre ihres Bühnenpartners reichte die Ankunft mit dem nächsten Zug gerade noch. Es lohnt sich auf jeden Fall auch im Nachhinein noch, in ihre Musik einzutauchen und darin Momente zu entdecken, die an The Velvet Underground, Patti Smith oder Beach House erinnern lassen. Gesungen von einer warmen, ehrlichen Stimme.

Halb Mensch, halb Fabelwesen: Dies und vieles mehr ist Pomme

Nichtsdestotrotz hat sich aber wohl die Mehrheit des – durchschnittlich älter als erwarteten – Publikums wegen einer weiteren Person, und somit dem Main-Act, in Zürich eingefunden. Pomme ist gebürtige Lyonerin, Sängerin, Texterin, Tochter sowie Schwester, Feministin, mehrfache Künstlerin des Jahres («Victoires de la Musique») und laut eigenem Instagramkanal halb Mensch, halb Fabelwesen. Passend zu letzterer Beschreibung war das Bühnenbild im Saal des Kaufleutens in Zürich arrangiert: nebst den Instrumenten zierten einige bunt leuchtende Pilze und wohlig weich wirkendes Moos die Szenerie.

Bereits vom ersten Moment an schaffte es Pomme nicht nur die vorzu applaudierende Menge zu begeistern, vielmehr zog sie einem wörtlich in den Bann. Nachdem sie dem Publikum ein lautes «Oui!» entlockte und damit das Okay hatte, den Abend und somit das «spectacle» auf Französisch moderieren zu dürfen, erzählte sie dem Publikum zu Beginn eine kurze Anekdote des Tages. Sie lobte Zürich dafür, dass es «plus propre» sei als Paris und dass die zuvor in der Migros entdeckte vegane Kokos-Margarine einfach «incroyable» schmecke. Zudem stellte sie von Anfang an klar, dass wir uns an diesem Abend stets wohl fühlen sollen, dabei singen und tanzen dürfen und uns von der Umgebung nicht aufhalten lassen sollen. Kurz gesagt: «Sentez-vous libre et à tout à l’heure!» – und dann legte sie los.

Von Schwachstellen, Trost und der Verarbeitung der Vergangenheit

Während sie vor einem Jahr bei ihrem ersten Auftritt in Zürich nur durch ihre Gitarre begleitet wurde, war es diesmal eine komplette Band. Violistin, Bassistin, Schlagzeugerin und Keyboarder trugen passend zum Bühnenbild pilzförmige Hüte und wurden durch gedimmtes Licht beleuchtet. Die Klänge der darauffolgenden Songs betonten die verträumte, fast märchenhafte Stimmung auf der Bühne.

Souverän, selbstsicher und authentisch bot Pomme dem Publikum verschiedene Stücke aus ihren bisher erschienenen Alben. Auf «À peu près» (2017), «Les failles» (2019) und «Les failles cachées» (2020) folgte vergangenes Jahr «Consolation», bei dessen Entstehung auch Flavien Berger mitwirken durfte. Auf Deutsch: Auf Schwachstellen und Mängel folgte schlussendlich der Trost. Dies wiederspiegelt sich entsprechend auch in den Texten und Melodien der verschiedenen Alben. Themen wie Ängste, Träume, der Tod oder das Gefühl der Leere wurden abgelöst durch Texte über ihre Kindheit, über das Loslassen, über Vorbilder und das Erwachsenwerden. Gleichzeitig trugen das Schreiben und Singen darüber zu derer Verarbeitung bei.

«Le chorale de Zurich»

Auch wenn bei einigen im Publikum keine ausgereiften Französischkenntnisse vorhanden waren bin ich mir sicher, dass nicht jede Zeile oder jedes Wort hätte verstanden werden müssen, um von der Musik berührt zu werden. Bestimmt hat allein die klare und starke Stimme bei einigen überraschende Emotionen oder feucht werdende Augen ausgelöst. Auf jeden Fall verleitete die Stimmung viele Menschen um mich herum dazu, sich in den Arm zu nehmen und sich zu den teils psychedelisch wirkenden Klängen hin und her zu wiegen. Aber auch einfachere Refrains oder wiederkehrende Melodien führten dazu, dass Pomme das Publikum in ihre Darbietung miteinbeziehen konnte und kurzerhand den für einen Abend bestehenden «chorale de Zurich» gründete.

Der stimmige Abschluss, welcher sich wieder auflöste

Nach gut zwei Stunden neigte sich der Auftritt dem Ende zu. Mit einem Solo auf der Bühne und einem «Merci!» verabschiedete sich die Musikerin vom Publikum, bevor sie nach anhaltendem Applaus mitsamt der Band erneut auf der Bühne erschien. Es folgten einige weitere Songs, welche den zuvor stimmig wirkenden Abschluss wieder aufzulösen schienen. Trotzdem gab sich das Publikum kaum zufrieden und klatschte weiter, bis es zum tatsächlichen Schluss noch in eine kurze Choreografie eingebunden und zum Abschied mit winkenden Händen und unzähligen Luftküsschen endgültig verabschiedet wurde.

Bei der Erinnerung an den Abend sehe ich vor mir die liebevoll inszenierte Bühne, höre ich die hohen und berührenden Töne und fühle ich den Charme, welchen Pomme durch ihr Auftreten, ihre Sprache und ihr Talent vermittelte. Das versprochene «spectacle» war tatsächlich «magnifique»!

Merci, Pomme, et à bientôt j’espère!

Foto: Lian Benoit

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