Magazin Theater

Zwischen einsam, allein und gemeinsam sein – «HALT LOS» von der Luzerner BewegSchaft4 min read

10. Februar 2023 3 min read

Autor:in:

Array

Zwischen einsam, allein und gemeinsam sein – «HALT LOS» von der Luzerner BewegSchaft4 min read

Reading Time: 3 minutes

Über Einsamkeit wird nicht gerne gesprochen. Es macht einen verletzlich. Wie wäre es also, wenn nicht Worte, sondern Bewegungen für einen sprechen würden? In dem Stück «HALT LOS» der Luzerner BewegSchaft wurden diese Emotionen biografisch-bewegend erforscht. Welche Geschichten kommen dir vertraut vor? In welchen Bildern erkennst du dich wieder? 

Gastautorin: Giulia Ambach

Ein Schritt durch die Tür und man befindet sich mitten im Akt. Während man sich auf einen der an den Wänden aufgereihten Stühle niederlässt, ist der Raum in Bewegung. Jeder Fleck, der nicht von Stühlen besetzt ist, wird als Spielfläche verwendet. Auf dieser befinden sich zehn Personen.

«Bisch allei da?» sind die ersten gesprochenen Worte des Stückes. Und, bist du es? Siehst du dasselbe Bild wie ich?

Der Duden wird zur Hand genommen. Der Begriff «einsam» wird folgendermassen definiert: 1. a) für sich allein, verlassen; ohne Kontakt zur Umwelt 1. b) als einziges seiner Art. Verwendete Synonyme sind allein, einsiedlerisch, für sich und kontaktlos. Dabei wird die implizite Frage aufgeworfen, ob diese Definition die Komplexität dieses Gefühls ausreichend beschreiben kann.

Geschichten der Einsamkeit

Szenenwechsel. Ein Klopfen gegen das Mikrofon, der Klang eines Herzschlages. Ein Tanz zwischen zwei Personen. Körper, die sich berühren, sich streicheln, sich halten. Dabei werden Fragen gestellt wie «Halten wir uns aus?», «Halten wir uns?», «Halten wir?».

Eins. Die Musik wird schneller, die Körper bewegen sich ausgelassen zur Musik, die Menschen haben Spass. Eine Person verlässt die Tanzfläche. Manchmal, inmitten von so vielen Menschen, da «spürt sie sich nicht mehr». Dann muss sie nach Hause, sich entspannen. Denn allein sein ist nicht dasselbe wie einsam sein. Es fühlt sich gut an.

Zwei. Eine Person stellt sich in die Mitte des Raumes. Eine zweite Person spiegelt ihre Bewegungen. Dann eine dritte und eine vierte Person. Die angespannten Bewegungen werden entspannter. Durchs Mikrofon hallen Worte wider, die davon erzählen, dass ihre Kindheit sowie Jugendzeit durch Aus- und Einwanderung und der damit verbundenen Einsamkeit geprägt waren. Wie ihre Bipolarität zu einem inneren (Aus-)Wandern führte.

Verschiedene Stimmen melden sich zu Wort. Dass es ein Lernprozess sei, Einsamkeit anzunehmen und sie nicht mit Scham zu bewerten. Einer anderen Person hilft es, diese Einsamkeit zum Ausdruck zu bringen. Sei es durch Tagebücher, durch Worte oder durch Tanz. Wieder eine andere Person ist sich sicher, dass sie die Einsamkeit braucht, da sie zur Verbundenheit gehört.

Drei. Anfangsszene. Der Blick ins Publikum, wechselnde Positionen und die Aussage «Schön bisch da!». Es wird dunkel.

Persönlich, intim und verletzlich

«HALT LOS» ist die dritte Produktion der Luzerner Bewegschaft. Anaïs Grütter und Jasmin Andergassen, welche die künstlerische Leitung übernommen haben, arbeiteten schon mehrmals zusammen. Das Thema der Einsamkeit wurde von Anaïs und Jasmin zwar eingebracht, doch es blieb den Bewegenden die Freiheit, wie sie dieses umsetzen möchten. Dabei sollte Bewegung erforscht und als Mittel benutzt werden. Bühnen- oder Tanzerfahrung war dabei nicht nötig, der einzige Anspruch zum Mitmachen war Offenheit und Neugier.

Für das Stück musste eine eigene Sprache entwickelt werden. Denn ein Grossteil der Bewegungen sind improvisiert. Dies lässt umso mehr Spielraum für Interpretationen zu, weil es sehr individuell ist, welche Bilder in den Bewegungen gesehen werden.

Jasmin betont dabei auch, wie wichtig ihnen das Persönliche in allen Produktionen ist, weshalb die Geschichten, die erzählt werden, diejenigen der Bewegenden sind. Manchmal wurde die eigene Geschichte erzählt. Manchmal aber auch die Geschichte einer anderen Person, einfach weil es zu persönlich war. Wie das Publikum die Bewegungen interpretiert und mit welchem Gefühl es den Raum wieder verlässt, ist unklar. Für die künstlerische Leitung war es wichtig, das Thema nicht zu moralisieren, sondern ein Spektrum aufzuzeigen. Dabei hat sie auch gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, über Einsamkeit zu sprechen.

Wechselspiel von Musik und Bewegung

Das gesamte Stück wird von elektronischer Musik begleitet, diese ist sehr zentral für das Vermitteln der Geschichten. Dies war für Heiri Weingartner, welcher für die Musik zuständig ist, gar nicht so einfach. Durch den Anspruch der Improvisation der Bewegungen durfte die Musik nämlich nicht zu spezifisch sein, sollte einen Rahmen bieten, musste aber dennoch die Szenen unterstreichen.

Für die ganz Spontanen unter euch gibt es für «HALT LOS» noch letzte Plätze an der Abendkasse für den 10.02 um 19:30 und den 11.02. um 16:30 oder 19:30. 

Fotos: © Gianluca Ehrenberg

Bewegende: Caroline Peytrignet, Caterina Cecconi, Jolanda Rechsteiner, 
Marina Hauser, Nadja Friedrich, Nadja Mühlebach, Nicole Birrer, 
Sandra Jenni, Santa Mancilla, Vera Hebeisen
Künstlerische Leitung: Anaïs Grütter und Jasmin Andergassen
Musik: Heiri Weingartner
Produktionsleitung: Urs Achermann



Array