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Gefallen, fallen lassen, zerfallen – «Falling in Love» von der Compagnie Trottvoir4 min read

26. Februar 2023 3 min read

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Gefallen, fallen lassen, zerfallen – «Falling in Love» von der Compagnie Trottvoir4 min read

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«Du stürzt dich frei und fragst den freien Fall «Bist du der Kontrollverlust?» – mittlerweile sind zwei Tage vergangen und auf meinem Handgelenk lässt sich immer noch ein blasses pinkfarbenes Herz ausmachen. Doch der Stempel ist nicht das Einzige, was Spuren hinterlassen hat. Das Stück «Falling in Love» des Kollektivs Compagnie Trottvoir wird momentan im Südpol aufgeführt und experimentiert mit den Sprachen aus Zirkus, Theater, Musik und Performance, um den Theaterraum aufzubrechen. 

Gastautorin: Giulia Ambach

Mit dem Eintreten in den Raum befindet man sich schon in der ersten Szene. Rot sind die Kleider und das Seil, welches die sechs jungen Darsteller:innen halten. Am anderen Ende der Seile, hoch oben an der Decke des Raumes, hängen an jedem Ende sechs Matratzen. Kitschige Liebeslieder ertönen auf Dauerschleife aus den Boxen: Lieder wie «I Will Always Love You» von Whitney Huston, «All You Need Is Love» von den Beatles oder «Can’t Help Falling in Love» von Elvis Presley. Zeit vergeht. Einer der Darsteller:innen hält das rote Seil wie beim Tauziehen lediglich mit den Händen fest,  eine andere hängt ihren ganzen Körper in das Seil. Doch egal welche Methoden verwendet werden, es bleibt anstrengend. Sehr anstrengend. Hände schwitzen und Matratzen rutschen Stück für Stück runter. Gespannt erwartet man, was als nächstes passiert. Wie lange wird es dauern, bis sie sich fallen lassen?

Geschichten des Fallens 

Szene 1: Die Matratzen werden losgelassen. Dumpf und schwer fallen sie auf den Boden. Jede:r der Darsteller:innen spricht über ihr eigenes getragenes Päckchen. Diese werden mit Altpapier-Prinzessinnen-auf-der-Erbse-Burgtürmen, Cremeschnitten, Sandwiches etc. umschrieben.  

«Mein Päckchen ist verwechselbar, unauffällig, schön angezogen. Doch darunter hat es Flecken: Schweiss, Sabber, Menstruationsblut.» 

Szene 2: «Der perfekte Kuss: Langsam annähern, Blick in die Augen, Gesicht leicht schräg halten und dann… SCHMATZ». Ein Matratzenturm wird erbaut, der Raum ist in rotes Licht getaucht, das bekannte Lied aus Dirty Dancing wird gesungen. «Endorphine, Dopamin und Serotonin sind auf der Zielgerade.» Doch dann verändert sich das Bild. Die Musik wird schneller, verzerrt und plötzlich will jeder auf den Matratzenturm, immer schneller, immer häufiger: Der Matratzenturm stürzt um. Musik ist aus. Es herrscht Stille. 

Szene 3: Aus den Matratzen wird nun eine Pyramide gebaut. Die Darsteller:innen laufen zusammen auf einer Seite hoch, und auf der anderen Seite wieder runter. Bis sie fallen. Am Anfang fallen sie noch sanft und helfen sich gegenseitig hoch. Doch mit der Zeit fallen sie in kürzeren Abständen und nehmen immer mehr Anlauf für den Fall selbst. Bis schlussendlich alle etliche Male gefallen sind und liegen bleiben.    

«Aufstehen, nur um wieder zu fallen.» 

Sex, Körperbehaarung und Penisgraffiti   

Es ist dunkel. Die einzigen Lichtspender sind die Projektoren, mit welchen die Gesichter auf an der Decke hängenden Kissen projiziert werden. Die Zuschauer:innen werden aufgefordert, es sich mit ihnen auf diesem Matratzenmeer gemütlich zu machen. Loszulassen. Und während nun (fast) alle gemeinsam auf den Matratzenliegen und zur Decke hinaufschauen, wird erklärt, über was heute nicht gesprochen wurde. Es wurde nämlich nicht über Glück gesprochen, über den perfekten Sex, Körperbehaarung oder Penisgraffitis. Es wurde auch nicht darüber gesprochen sich fallen zu lassen, hauptsächlich um zu wissen, wie es ist. Nicht darüber, wohin wir fallen oder über die Fallhöhe. Und auch nicht über das perfekte Happy End. Obwohl – vielleicht ist es das perfekte Happy End, wenn alle zusammen mit ihnen auf den Matratzen liegen und sie dann einfach verschwinden könnten. Licht aus.  

Sich zu verlieben ist doch ganz einfach, oder? Filme wie Dirty Dancing zeigen es uns vor. Doch was im Leben ist schon einfach? Sich zu verlieben lässt sich nicht immer in Worten beschreiben, und es ist auch völlig okay, wenn du noch nie verliebt warst. «Falling in Love» zeigt auf, dass wir alle unsere Päckchen zu tragen haben, und dass sich das Verlieben nicht immer wie in Filmen abspielt, und auch nicht immer das perfekte Happy End mit sich bringt. Das Stück ist intensiv, reflektiert und obwohl gar nicht so viel gesprochen wird, verdammt aussagekräftig. 

Bist du ready dich darauf einzulassen? Wer weiss, maybe you will fall in love? Die Chance dafür hast du noch am Donnerstag, dem 02. März und Samstag, den 04. März um 20:00 Uhr im Südpol. Tickets findet ihr hier!

Fotos: © Kezia Zurbrügg

Von und mit: Vera Baumann, Laurence Felber, Moritz Grenz, Noemi Hess, 
Josef Stiller, Valeria Stocker  

Künstlerisches Coaching: Caroline Schenk