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Domenika Bitterli, wie schaffen die Gemeinden den Wandel?6 min read

3. April 2023 4 min read

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Domenika Bitterli, wie schaffen die Gemeinden den Wandel?6 min read

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Wie lassen sich Gemeinden und Regionen weiterentwickeln? Wie holt man dafür die Bevölkerung ins Boot? Und wie bewegt man sie dazu, nachhaltig zu handeln? Domenika Bitterli hat sich im Rahmen ihres Studiums an der ZHAW intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt – und gleich selbst angepackt.

Dieser bezahlte Beitrag wird von der ZHAW präsentiert.

«Es gäbe ja eigentlich so viele gute Ideen, die einfach nicht umgesetzt werden», findet Domenika Bitterli – aufgrund fehlender Ressourcen, fehlendem Engagement. Die 25-jährige Thunerin will das ändern. Sie sieht ihre Stärke darin, «die Dinge an den Menschen zu bringen», und genau hier knüpft auch ihr Studium an. Domenika studiert Umweltingenieurwesen an der ZHAW und hat sich mit Umweltsysteme und Nachhaltige Entwicklung für die Vertiefung entschieden, in der der Mensch im Fokus steht. Das Ziel ist, den Menschen darin zu bestärken, nachhaltiger zu handeln.

Etwa im Rahmen der Regionalentwicklung. So hat sie während drei Semestern gemeinsam mit ihren Mitstudierenden eng mit den Gemeinden Nesslau und Lichtensteig im Toggenburg zusammengearbeitet – und konnte dabei den einen oder anderen Denkanstoss mit auf den Weg gegeben. Im Interview mit frachtwerk erzählt sie uns, was ihre Erkenntnisse dabei waren und was eine zukunftsfähige Entwicklung voraussetzt.

frachtwerk: Domenika, was können sich Laien unter Regionalentwicklung vorstellen?

Domenika Bitterli: Das Ziel ist es, dass sich Gemeinden oder eben Regionen so weiterentwickeln, dass sie zukunftsfähig sind und dadurch bestehen bleiben. Optimalerweise wird die Bevölkerung miteinbezogen – und so eine Entwicklung vorangetrieben, hinter der alle stehen können. Meiner Meinung nach hat die Regionalentwicklung auch das Ziel, dass die Bevölkerung in der Region bleibt und sie von sich aus weiterbringen will. Und das möglichst nachhaltig: So, dass die Lebensgrundlage auch für die nächsten Generationen gewährleistet ist.

frachtwerk: Was müssen Gemeinden mitbringen, um diesen Wandel zu schaffen?

Domenika: Es braucht sehr viel freiwilliges Engagement – und Menschen, die wirklich etwas bewegen wollen. Ich denke, dass dafür eine gewisse Verbundenheit mit der Region nötig ist. Man muss kreativ sein und sich auch mal neu denken können. Ein Beispiel: In Lichtensteig gibt es eine alte Textilfabrik, die von einer Genossenschaft übernommen worden ist und nun als Wohn- und Arbeitsraum genutzt wird.

Was ich auch wichtig finde, ist die Kommunikation. Oft besteht die Schwierigkeit, dass die Bevölkerung eigentlich gar nicht wirklich weiss, was gerade abgeht. Oder aber sie weiss nicht, dass sie sich beteiligen könnte. Als Gemeindeverwaltung muss man nahbar sein für seine Bewohnerinnen und Bewohner. Es ist halt nicht einfach, die Menschen abzuholen. Das hat sich auch bei unseren Projekten gezeigt – schlussendlich waren es oft mehr oder weniger die gleichen Leute, die mitgewirkt haben.

frachtwerk: Welche Projekte sind denn aus eurer Zusammenarbeit mit den Gemeinden entstanden?

Domenika: Wir haben mit einer Projektwoche begonnen, in der wir ohne Vorkenntnisse über die Region durch das Toggenburg gewandert sind. Wir haben es aus unserer Aussenperspektive besichtigt, um sie ohne Befangenheit kennenzulernen.

Danach fand ein Perspektivenwechsel statt, in dem wir die Bevölkerung interviewt haben. So konnten wir eine Analyse der Gemeinden erstellen, welche die Basis für die weitere Zusammenarbeit mit den Gemeinden bildete. Schliesslich haben wir damit begonnen, Projekte zu entwickeln.  Dafür haben wir Workshops mit der Bevölkerung durchgeführt, um abzuholen, was sie sich wünscht. Die ganze Zusammenarbeit hatte zum Ziel, dass Projekte entstehen, die von den Bewohnenden der Gemeinde gleich selbst umgesetzt werden – in einem partizipativen Prozess.

frachtwerk: Was waren die Schwierigkeiten dabei?

Domenika: Unser Status war sicher manchmal eine Herausforderung – «die Studis aus Zürich», diesen Stempel mussten wir zuerst überwinden. So kamen wir von «aussen» in die Gemeinden, was aber sicher auch seine Vorteile hatte.

Mir kam es auch so rüber, als würde den Leuten manchmal der Gedanke «Darf ich das sagen?» im Weg stehen. Da sie sich untereinander gut kannten, wollten sie niemanden kritisieren. Es war eine Herausforderung, eine andere Meinung zu haben als beispielsweise der Gemeindepräsident. Manchmal schienen sie auch nicht so recht zu wagen, gross zu denken und es war ungewohnt und neu, so viel mitbestimmen zu können. Wenn alles mehr oder weniger läuft, setzen sie sich oft nicht damit auseinander, dass sie ja selbst auch etwas bewirken könnten. Ich kann mir vorstellen, dass sich das in nächster Zeit verändern wird – vielleicht durch einen Generationenwechsel (lacht).

Ich glaube aber, dass die Leute zuerst lernen müssen, mitzubestimmen. Und dem muss man etwas Zeit lassen.

frachtwerk: Wie lässt es sich verhindern, dass solche partizipativen Prozesse als Alibi-Übung versanden?

Domenika: Das kommt sicher auch auf die Grösse der Gemeinde an. Bei grossen Ortschaften ist es viel herausfordernder, da mehr Menschen miteinbezogen werden müssen. Aber wenn wirklich ein Problem besteht und die Bewegung von unten nach oben – Bottom-up – kommt, kann ein partizipativer Prozess etwas bewirken. Wenn aber kein Druck besteht, dann ist die Motivation der Bewohnerinnen und Bewohner teilweise nicht da. Tatsächlich wirkt der Prozess manchmal fast schon wie eine Alibi-Übung. Und es ist eine riesige Herausforderung, wie man an alle Menschen herankommt – und dazu gibt es wohl noch nicht das Erfolgsrezept.

frachtwerk: Wie müsste man in grösseren Städten anders an die Sache herangehen? Etwa in Städten der Grösse von Luzern – oder deiner Heimat Thun?

Domenika: In Thun gibt es beispielsweise das Projekt «Politik im Quartier». Damit werden die einzelnen Stadtteile einzeln angesprochen und Bedürfnisse abgeholt, das fand ich einen coolen Ansatz. Ich wohne in Goldiwil, was zwar zur Stadt gehört, aber eher ländlich ist. Dort haben die Menschen andere Probleme als jene, die mitten in der Stadt wohnen. Auch hier wieder: Damit sie sich beteiligen wollen, brauchen sie eine Verbindung zu dem, was sie bewirken.

frachtwerk: Was muss man wissen, um selber erfolgreich mitwirken zu können?

Domenika: «Regionalentwicklung» ist ein grosser Begriff, doch schlussendlich entwickelt man sich ja immer irgendwie weiter – es passiert einfach. Wichtig ist, dass man Geduld hat und Kompromisse eingehen kann. Ich denke, das war auch für viele im Studium eine Herausforderung, denn mit der eigenen Ideologie stösst man häufig Leuten vor den Kopf. Andere Kulturen oder eben Lebensweisen muss man akzeptieren, sonst kommen wir nicht vorwärts mit einer nachhaltigen Entwicklung.

Ebenfalls entscheidend finde ich das Bewusstsein, dass man selbst etwas bewirken kann. Im Gemeindepräsidium sitzen auch nur Menschen mit eigenen Vorstellungen und Ideologien. Um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten ist es wichtig, dass sich alle einbringen.

Zum Studiengang
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Fachperson im Spannungsfeld zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüchen.

Vertiefungsrichtungen:
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- Urbane Ökosysteme
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