Banel e Adama: Sturm und Drang in der Wüste

Die Wucht der Natur übermächtigt uns Menschen. Sie bricht in Wut aus, als Zeichen für das, was wir falsch machen. Mit einer intensiven Bildsprache bringt Regisseurin Sy Ramata-Toulaye ihr Debut-Film «Banel e Adama» heraus und blickt mit einer feministischen Perspektive auf die Themen Klimawandel, die Rolle der Frau und Strukturen, in denen wir uns verfangen. Eine Perle aus der Sub-Sahara-Region.

Autor:in:
Juliette Dunaigre
Titelbild:
trigon-film
Hinweise:

«Ich ersticke hier, Adama»

Gefangen in der Gemeinschaft und in vorgesehenen Pflichten erzählt Regisseurin Sy Ramata-Toulaye eine Liebesgeschichte zweier junger Menschen, die aus den Normen ausbrechen wollen. Mit magisch-realistischen Elementen verleiht Ramata-Toulaye der Geschichte einen mythologischen Charakter. Der Charakter der Protagonistin Banel ist nämlich inspiriert von den griechisch-mythologischen Heldinnen Phädra und Medea, die von der Liebe in den Wahnsinn getrieben werden, erklärt Sy gegenüber trigon-film.  

«Für mich ist Banel die Tochter der Sonne, sie ist das heilige Feuer. Sie ist ein Wesen, das vom Himmel gefallen ist und zufällig in diesem kleinen Dorf gelandet ist. Banel brennt ständig, mit ihrem ganzen Wesen, weil sie keinen Platz auf der Erde hat», verrät Ramata-Toulaye Sy im Interview mit trigon-film weiter.

Die Protagonistin Banel rebelliert gegenüber dem Clan, dem Dorf, den Göttern. Sie trägt kein Kopftuch, will kein Kind gebären und will unabhängig leben, mit ihrem Mann Adama. Dafür wird sie verspottet, auch von den Göttern. Ihr Traum, selber zu entscheiden, wie sie als Frau leben will, ist in der patrilinearen Clanstruktur nicht vorgesehen. Es treibt sie in den Wahnsinn, in eine Obsession.  

«Einst waren wir Götter. Jetzt sind wir nur noch Fleisch»

Karg und ausgetrocknet, zeigt die Wüstenlandschaft in Nord-West Senegal das Ausmass des Klimawandels. Die bedrohliche Dürre, die den Film durchzieht, entzieht dem Leben seine Energie. Im Dorf der Fula wird auf das Mindeste reduziert, auf den reinen Überlebensmodus. Gerade in diesem Setting ist Banels Besessenheit und die Dunkelheit umso Maximaler, sie passt nicht ins Bild, kämpft ums Überleben ihrer Freiheit.  

Durch die Geräusche und die Bilder wird in dieser Landschaft eine Poesie erschaffen, die der Natur eine mächtige, fast göttliche Präsenz verleiht. Die stummen Blicke und die expressive Körpersprache, für die Fula bekannt sind, verleiht der Stille im Film eine Intensität.


Diese Dürre, die mächtig und poetisch wirkt, wird gleichzeitig als Fluch dargestellt, der an Banel geknüpft wird und zwei Themen vereint. Es ist ein Weckruf, der verdeutlicht, dass der Mensch nicht über die Natur herrscht, sondern vielmehr ihr unterliegt. Banel verkörpert diese Schuld gegenüber der Natur und steht zugleich für die Menschen, die mit den Konsequenzen leben müssen. Ihre Bedürfnisse, insbesondere ihre Freiheit, darüber zu entscheiden, wie sie als Frau leben will, wird ebenfalls von diesem Fluch betroffen.

Der Film lädt ein, über unsere vergangene Grösse und gegenwärtige Realität nachzudenken.  

Neue Generation afrikanischer Filmschaffenden

Die von Sy geschaffene Fiktion erkundet die Grenzen der Clan-Tradition und stellt die Strukturen in Frage, die uns in vorgegebene Rollen zwängen. «Banel e Adama» gelingt es, sich für den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes 2023 zu qualifizieren, der im Vergleich zu früheren Jahren eine grössere Auswahl an Filmen aus der afrikanischen Region präsentiert.

Obwohl die lokalen Filmindustrien viele bemerkenswerte Werke hervorbringt, sind diese auf Festivals oft unterrepräsentiert, werden wenig vertrieben. Doch Filme wie die von Mati Diop "Atlantique", Jean-Luc Herbulot "Saloum" oder "Goodbye Julia" von Mohamed Kordofani, geben durch Genres-Kino, wie Sy gegenüber von Cannes in einem Interview erzählt, einen Startschuss für internationale Grosswettbewerbe.

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