Schulden und Illegale Kämpfe: Filmkritik «Bisons»

Hinterbliebene Bauernhöfe, Schweizer Traditionssport und Familienpflichten: Der Film von Pierre Monnard verknüpft diese Aspekte mit gesellschaftspolitischen Fragen und zeigt, wie Armut und Schulden Menschen in ein Schicksal treiben können. Bisons demonstriert mit Blut und Fäusten ein Gefühl von Not und Risiko, eine Gratwanderung zwischen Adrenalin und Ernsthaftigkeit.

Autor:in:
Julie Dunaigre
Hinweise:

Auf einem verschuldeten Bauernhof im jurassischen Hinterland leben Mutter Mathilde und Sohn Steve. Um gegen das üble Erbe des verstorbenen Vaters anzukämpfen, ackert die Mutter in einer Industrie, während sich der Sohn um den Hof kümmert. Beide befinden sich in einer Zwickmühle der Hoffnungslosigkeit, in der sie der verstorbene Vater in Familienschulden hinterlassen hat. Die Situation nimmt durch die Rückkehr des ausgestossenen Sohnes Joël eine Wende. Dieser zieht den Bruder in illegale Kämpfe, um die Schulden zu tilgen.

Das ist die Ausgangslage des neuen Films von Pierre Monnard, der seinen letzten Erfolg mit "Platzspitz Baby" feierte. Die Geschichte und die Bilder vermitteln die Not, die prekäre Lage dieser Familie. Und tatsächlich ist das eine bittere Realität für Schweizer Bauernhöfe, die immer öfters ihre Höfe verkaufen müssen. Monnard selbst kennt diese Realität. Er ist selbst Sohn einer Bauernfamilie.

Vom Schwinger zum Underground Kämpfer

Maxime Valvini, als Protagonist Steve Chapuis, spielt einen ruhigen, aber mutigen Charakter. Mit seiner sehr trainierten Postur und dem mit Tattoos übersäten Körper wirkt er weder wie ein Bauer, noch wie ein Schwinger. Vielmehr passt zu seinem Aussehen die Rolle, die er später im Film einnimmt: Jene des brutalen Underground Kämpfers.  

Die Verknüpfung dieser Welten führt zum Nachdenken: Schwingen repräsentiert viel mehr als nur eine Sportart. Es ist Teil der Schweizer Kultur und Tradition, mit Regeln und Sitten. Bei illegalen Kampfwetten hingegen bewegt man sich ausserhalb von Sitten und Kultur, ausserhalb der Schweizer Grenze. Das pure Gegenteil. Mit dieser Storyline wird die Idee der Tradition durchbrochen und an die Realität angepasst.

Pflichten einer Familie  

Die Brüder stehen im Zentrum des Films – oder vielmehr: Das Gefühl von Pflichten einer Familie, die um die Erinnerung eines Ortes kämpft und dafür ihr Leben riskiert. Und das, obwohl es andere Auswege gäbe. Im Gegensatz zum ruhigen, ländlichen Steve ist sein Bruder Joel draufgängerisch. Er sass im Gefängnis und beginnt, Steve in diese Illegalität zu ziehen. Trotz dem Hass gegenüber seinem Vater, will er seiner Mutter und seinem Bruder helfen, die Familie aus der Misere zu holen. Egal wie. Die hervorragenden Schauspielkünste der beiden Protagonisten vermitteln die Bedeutung, was Kernfamilie bedeutet und was man dafür in Kauf nimmt.

Weniger überzeugend: Illegale Kämpfe

Weshalb entschieden wurde, die Brüderlichkeit und Prekarität der Bauernhöfe mit illegalen Kämpfen zu verbinden, erklärt Regisseur Monard im Pressekit von P.S. Production. Es sei ein Symbol um den Kampf der Hinterbliebenen, die in diesem Fall in Schulden eingedeckt sind.

"Durch Joël entdeckt Steve eine Welt, von der er nichts wusste: Heimliche Kämpfe auf der anderen Seite der Grenze im vergessenen Frankreich, wo die Armut die Regeln neu definiert. Bisons ist eine Geschwistergeschichte, in der das Kämpfen als Metapher für den Zustand all derer dient, die zurückgelassen wurden, unabhängig von ihrer Herkunft."

Die grundsätzlich spannende Ausgangslage, eine Geschichte einer Bauernfamilie in prekärer Situation thematisieren zu wollen, fällt jedoch aus dem Konzept. Während der Film erfolgreich die Botschaft von Brüderlichkeit vermittelt und starke Emotionen von Pflicht und Familie hervorruft, hätte diese auch ohne Kämpfe vermittelt werden können. Stattdessen wird der Aspekt von Kampf und männlicher Schutzinstinkt stereotypisiert. Die Kämpfe erreichen die Zuschauenden ohne tiefgründige Message – obwohl sie einen grossen Teil des Filmes ausmachen.  

Alle, die sich den Gefühlen von Adrenalin und Risiko aussetzen und eine intensive Familiengeschichte mitfühlen wollen, können den Film noch bis Anfangs März in Schweizer Kinos schauen gehen. In Luzern ist er leider bereits nach zwei Wochen vor leeren Rängen gelaufen.  

Verlosung

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