Wer unsere Kunstmuseen kuratiert

Im Kunstmuseum Luzern stellt die neue Ausstellung «Woher kommst du?» genau diese Frage den eigenen Werken. Und wir fragen: Wer wird in Kunstmuseen eigentlich ausgestellt? Klar, die sogenannten «alten Meister» wie Rubens, Canaletto oder Dürer sind in den meisten klassischen Kunstmuseen vertreten. Auch Ikonen wie Monet und Chagall haben ihren festen Platz in den Ausstellungen. Wie steht es aber um zeitgenössische Kunst? Wer wird auserkoren - und von wem?

Autor:in:
Neve Regli
Titelbild:
Gemälde

Wer wird gezeigt?

Ich war in vielen Museen, Ausstellungen und Vernissagen. Aber es gibt nur wenige, die nachhaltig meinen Blick prägten. Natürlich ist es eindrucksvoll, die Seerosen Monets zu sehen oder irgendwelche riesigen immersiven Räume von Pipilotti Rist, und natürlich kann ich mir auch mal eine mittelalterliche Darstellung von Jesus reinziehen. Aber anders verhält es sich mit Ausstellungen, die mir einen mir unbekannten Aspekt der Gesellschaft zeigen. Ausstellungen, die von gesellschaftlichem und kulturellem Schleier verhüllte Sachverhalte plötzlich klar darstellen. Werke, die dich aus der Bahn werfen, wenn sie so direkt, schön, traurig oder frech vor dir stehen.

Es sind Ausstellungen wie die von Deana Lawson über Afroamerikansiche Frauen in den USA in der Kunsthalle Basel (frachtwerk berichtete), oder die farbenfrohen, düsteren und manchmal verstörenden Bilder von Prostitution, Queerness und Gewalt von Nan Goldin in den Deichtorhallen in Hamburg.

Aber welches dieser Erlebnisse entspricht nun mehr der Aufgabe von Kunstmuseen? Was "gehört" wo ausgestellt? Manch einer würde behaupten, das Ziel von Museen sei zu Erhalten. Das würde bedeuten, dass die immergleichen Bilder und "Meister" einen gewissen Vorrang zu haben scheinen. Ist das jedoch wirklich so? Ab wann ist man für ein Museum nicht mehr "zu jung"? Soll man in einem Museum nur das antreffen, was man eh schon kennt und für den "neuen Kram" in dafür vorgesehene Institutionen wie Galerien gehen?

Kunst als Befreiungsschlag aus der Klassengesellschaft

Laut Definition: Nein! Die Museen sollen der Inklusion, der Bildung und der Partizipation aller Communities dienen.

"A museum is a not-for-profit, permanent institution in the service of society that researches, collects, conserves, interprets and exhibits tangible and intangible heritage. Open to the public, accessible and inclusive, museums foster diversity and sustainability. They operate and communicate ethically, professionally and with the participation of communities, offering varied experiences for education, enjoyment, reflection and knowledge sharing." – ICOM 2022 Definition

Aber bezieht sich das auch auf Diejenigen, die sich in den Museen befinden und angeschaut werden? Dass Inklusion früher anders oder gar nicht Thema war ist kaum verwunderlich wenn man sieht, wer die Auftraggeber:innen waren: Reiche Mäzene und Mäzeninnen, Päpste, Könige und Königinnen. Das waren die einzigen Menschen, die genug Zeit und Geld hatten, sich Kunstwerke zu beschaffen oder anfertigen zu lassen. Kunst war ein Statussymbol und somit zwangsweise exklusiv.

Immer mehr wurde die Kunst jedoch als Befreiung von genau dieser Klassengesellschaft genutzt. Bis heute verändert sich das nun zunehmend (und konstant), zusammen mit der sich verändernden Definition eines Museums. Die Debatte von Dekolonialisierung, Restitution und Inklusion macht auch vor der Künstler:innen-Auswahl in Museen keinen Halt. Dennoch scheinen wir in diesem Thema langsamer voranzukommen als in anderen Bereichen.

Was haben wir erreicht?

Viele werden mit dem Begriff der «Guerilla Girls» bekannt sein. Diese Aktivistinnen-Gruppe setzt sich seit 1984 dafür ein, die Missstände in den Kunstmuseen bekannt zu machen. Ausschlaggebend war eine Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art, in der die wichtigsten zeitgenössischen Werke der Welt gezeigt werden sollten. Von 169 Kunstschaffenden waren nur 13 Personen Frauen - und People of Color waren gar nicht erst vertreten.

Auch heute noch sind die Quoten nicht viel besser. 2019 ergab eine Studie der Swissinfo, dass in 80 der wichtigsten Kunstmuseen der Schweiz nur 26 Prozent aller Einzelausstellungen von weiblichen Künstlerinnen stammten. In Gruppenausstellungen war nur 31 Prozent der Künstler:innen weiblich. Dazu, wie es um die Sichtbarkeit von PoC in Kunstmuseen steht, konnten wir nicht einmal eine Studie finden.

Warum und wie weiter?

Wie kommt es zu diesem Missstand? Natürlich ist es sinnvoll, dass nicht einfach jeder Mensch seine Kunst im Museum abladen kann. Aber wer entscheidet, welche Künstler:innen "wertvoll" genug sind? Wie überall in der Welt sind auch hier gute Verbindungen und eine gewisse Reputation innerhalb des Kunstmarktes sicher von Vorteil. Das könnte ein Grund sein, wieso gewisse Gruppen öfters ausgestellt werden als andere.

Einen Teil einer Antwort könnte die Ausstellung im KKL liefern. Die Provenienz (Herkunft) von Kunst verrät uns viel über gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen.

Da jedoch die Ausstellung erst nach Redaktionsschluss eröffnet wurde, übergeben wir nun euch, liebe Leser:innen, die Aufgabe herauszufinden, wie es um das Kunstmuseum Luzern steht. Wird hier die Inlkusionsaufgabe der Museen pflichtbewusst gelebt, oder lässt sich doch eher eine eher exlusive "Vätterliwirtschaft" ablesen?

Verlosung

Infobox

Die Ausstellung «Woher kommst du?» läuft noch bis am 17. November 2024 und ist im Preis für das Museum mitinbegriffen. Jeden ersten Sonntag im Monat ist das Museum für alle Personen gratis.