Erst am Ende spürt man die Trockenheit in Mund und in den Ohren. Nach sanften, Herzrhythmus-ähnlichen Körperbewegungen und dem tiefen Atmen durch Mund und Nase. Nach 51 Minuten gleitenden Sounds, die in den letzten Winkeln der Boxen zerflossen sind, nimmt man erst wahr, wie karg sich die Welt ohne Musik anmutet. Zum Beispiel ohne neue Musik von One Sentence. Supervisor.
Lobhudelei, was wir hier machen, würde manch böse Zunge sagen. Darum erstmal von vorne. Die Musik von One Sentence. Supervisor ist seit Gründung der Formation bekannt für die Intelligenz, die ihr innewohnt. Und die Zugänglichkeit, die sie trotz allem bietet. Sie ist quasi ein komplexer Motor, der ganz simplen Komfort – in diesem Falle Hörgenuss – ermöglicht.
One Sentence. Supervisor, das ist aktuell ein Quintett, das sich aus Baden stammend nennt und das vor wenigen Tagen sein neustes Album auf die Welt brachte. «Temporär Musik 20-29» heisst der Neuling, der nun auf «Temporär Musik 15-19» und «Acedia» folgt.
Ein Album, das es mit zarten Überraschungen und mit gekonnter One-Sentence.-Supervisor-Manier schafft, einen solide gezogenen Spannungsbogen durch all seine zehn Tracks zu ziehen. Denn: Von Beginn bis zum Ende sitzt die zuhörende Person in einem turbulenten, rasanten Fluss, der sie aber sicher und wohlbehalten an einen sich angenehm fremd anmutenden Ort treibt – teils sogar reisst.
Die Musik, eine Fusion aus Synths, vielen präzisen Drums, Gitarre, Bass und Hackbrett, ist so etwas wie genau das, was wir in der jetzigen Zeit brauchen können. Denn auf angenehm krautig und psychedelische Art verkörpert sie gekonnt zumeist undefinierbare Main-Players der Gegenwart wie Melancholie und Angst mit oftmals zur Seite gedrängten Faktoren wie Geduld, Zuversicht und Vergänglichkeit. Gerade die Vergänglichkeit ist es, die der Band zuzusetzen zu scheint. Wie sie selbst von sich behauptet, versteht sie das Temporäre als die einzige Konstante der heutigen Zeit.
Von der Geduld und der Akzeptanz von Neuem spricht Donat Kaufmann auch am Tag der Geburt ihres neuen Albums bei ihrem Konzert im Luzerner Südpol: «Wir spielen hier in einem ehemaligen Schlachthof. Nach Jahren des blutigen Betriebs ist hier seit 15 Jahren ein Kulturzentrum. Auch wenn auf der Welt gerade vieles bergab zu gehen scheint, dürfen wir nicht aufgeben, geduldig zu sein. Wo etwas Schlimmes passiert, können wir dafür kämpfen, dass alles wieder besser und schöner für alle wird.»
Das Quintett steht auf der Bühne. Über ihnen das Dach eines Sonnenschirms. Mit dem letzten Song ihrer Platte anomalia stellen sie ihre Thesen unter Beweis. Tatsächlich fühlt er sich nach einer emotionalen Achterbahnfahrt in einem turbulenten, dynamischen Fluss wie das Ankommen an einem Delta in einer türkisblauen Meereslagune an.
Am Schirmständer auf der Bühne des Südpol Clubs hängt ein Schild mit der Aufschrift «Big Sale». Auch wenn wir die Ironie durchaus verstehen, erinnert es die Zuschauenden daran, dass man das neue Album von One Sentence. Supervisor jetzt nämlich kaufen und hören kann. Und das sollte man auch, wie wir finden.
Das Album ist seit dem 22. März auf allen gängigen Plattformen verfügbar und wurde über Irascible Records publiziert.