Der Kreislauf gehört in die Kunst

In einer Zeit, die so kritisch ist wie diese, um die zukünftige Beständigkeit unseres Planeten und der Menschheit zu sichern, spielt Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Doch wie wird Nachhaltigkeit in der Kunst gelebt? Was kann Kunst dazu beitragen, dass wir uns aus dieser misslichen Krise befreien können und wo ist ihr unausgeschöpftes Potenzial?

Autor:in:
Steffi Bumbacher
Titelbild:
Jenny Kendler

Wir wissen mittlerweile alle, dass die Menschheit in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig auf Nachhaltigkeit und unseren Einfluss auf die Natur geschaut hat. Darum dreht sich jetzt vieles (leider noch nicht alles) immer mehr um Nachhaltigkeit. Uns ist es wichtig, dass wir uns und unserem Umfeld nicht für weitere Jahre ohne Ende Schaden zufügen und wollen die Welt, die wir heute haben, behalten oder sogar restaurieren. Dafür orientieren wir uns am Beispiel der Natur. Denn in natürlichen Systemen unterliegt alles dem ewigem Kreislauf von Leben und Tod. Alles fliesst irgendwann und irgendwie wieder zurück ins System.

Wir bemühen uns, alle Bereiche unseres Lebens nachhaltiger im Sinne dieses Kreislaufes zu gestalten. Doch wie sieht es mit Nachhaltigkeit in der Kunst aus?

Nachhaltige Kunst als Appell an die Gesellschaft

Kunst wird oft als Spiegel der Gesellschaft bezeichnet. Sie setzt sich also genau mit Themen auseinander, die zeitgenössisch sind und die Gesellschaft beschäftigen. Aus diesem Grund sollte aktuelle Kunst sich auch mit einem der aktuellsten Themen des Jahrzehntes, der ökologischen Nachhaltigkeit, auseinandersetzen. Das tut sie auch. Es gibt zahlreiche Künstler:innen, deren Werke sich mit dem Klimawandel, dem Artensterben oder der Zerstörung unserer wertvollen Natur auseinandersetzen. Der niederländische Künstler Demiak malt zum Beispiel Ölgemälde, die die Auswirkungen von Naturkatastrophen aufzeigen. Die Schweizerin Valeria Lipscher benutzt farbenfrohe Motive aus der Natur und aus dem Garten und macht so auf unsere Umwelt aufmerksam. Auch die amerikanische Künstlerin Julia Heffernan beschäftigt sich mit dem Verändern unseres Klimas und appelliert mit Gemälden, die die Schaffung alternativer Lebensräume als Reaktion auf Umweltkatastrophen und der Ausbeutung unserer Natur zeigen.

Trotzdem: Wie stark beschäftigt sich die Kunst «bloss» mit dem Thema der Nachhaltigkeit und wie fest wird dieser Gedanke tatsächlich gelebt und umgesetzt? Das ist ein grosser Unterschied. Und doch kann Kunst, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und dem Schaden auseinandersetzt, den wir Menschen der Umwelt zufügen, die Gesellschaft für dieses Thema sensibilisieren. Diese Aufklärung ist wichtig. Gleichzeitig beschäftigt sie sich mit dem Thema, ohne tatsächlich zu handeln. Auf der anderen Seite gibt es Kunstwerke, die nachhaltig aus recycelten Materialien hergestellt wurden, aber überhaupt nicht den Anspruch haben, über das Thema aufklären, weil sie etwas anderes thematisieren. Was ist also besser?

Kunst aus Müll

Die Reduce-Reuse-Recycle Bewegung, die für einen nachhaltigeren Konsum sowie eine nachhaltigere Produktion wirbt, fordert von allen Branchen, dass sie sich anpassen. Damit wir auch in Zukunft von dieser schönen Welt profitieren können, ist das Handeln von allen Akteuren gefragt. Darf sich also die Kunst-Industrie dieser Bewegung entziehen?

Kunst, die aus wiederverwendbaren Materialien hergestellt wird, gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Motivation dahinter war zwar vielleicht noch nicht immer dieselbe, doch das Konzept und die Ideen bestehen schon lange. Künstler:innen wie Jean Tinguely, HA Schult und Kurt Schwitter haben schon vor diesem Jahrhundert Kunst aus Müll geschaffen. Sie verwendeten alte Gebrauchsgegenstände wie Computer, Aludosen, Räder, Sägen, Knöpfe und Zeitschriften für ihre Werke. Heute sehen wir eine Vielfalt von Künstler:innen, die sich Abfall anderer zu eigen machen. So verwendet das kubanische Kunstkollektiv Guerra de la Paz alte Kleidung und Textilien für ihre Werke und hinterfragt damit die aktuelle Konsumgesellschaft. Yuken Teruya erstellt aus Toilettenrollen detaillierte Bäume und bringt Kunst in Verbindung mit der Natur. Die Portraits von Jane Perkins entstehen aus gefundenen Objekten wie Spielzeugen, Muscheln und Einwegbesteck, die die Künstlerin sammelt.

Die Frage der Beständigkeit

Schlussendlich stellt sich noch die eine Frage: Muss Kunst für immer bestehen oder kann sie vergänglich sein, so wie alles, was dem natürlichen Zyklus von Leben und Tod unterliegt? Es ist völlig klar, dass Kunst ein wichtiges Kulturerbe ist, das wir für spätere Generationen beschützen und bewahren müssen. Dennoch gibt es in keiner Art die Notwendigkeit, dass sich Kunstsammlungen ins Unendlich füllen und die meisten dieser Werke hinter Türen in speziell klimatisierten Räumen der Gesellschaft verborgen bleiben.

Kunst soll wiederverwenden wie in den Beispielen genannter Künstler:innen. Es ist Zeit, dass Kunst wiederverwendet wird und sich so gänzlich dem Zyklus hingibt. Diese Vergänglichkeit in der Kunst gibt es etwa in Land Art. Diese Kunstform braucht ausschliesslich natürliche Materialien, um Kunstwerke unter freiem Himmel zugestalten. Andy Goldsworthy ist der wohl bekannteste Künstler dieser Kunstströmung. Seine Werke aus Ästen, Blättern, Steinen und Eis sind schnell wieder abgebaut und nur ein kurzer Teil des natürlichen Kreislaufs, bevor sie wieder zurück in die Natur «fallen», ohne ihr Schadenoder Verschmutzung zuzufügen.

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