Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt …

Der Schweizer Soziologe und Globalisierungskritiker Jean Ziegler, mittlerweile 94 Jahre alt, legt mit «Trotz alledem!» vermutlich sein letztes Werk vor. Dass er in diesem Alter noch ein so kraftvolles und zugleich zugängliches Buch schreibt, ist beeindruckend – und zugleich symptomatisch für einen Autor, der nie verstummt, wenn es um Gerechtigkeit geht.

Autor:in:
Daniel Klein

Jean Zieglers «Trotz alledem!» als Weckruf an unser Gewissen

Ziegler bleibt sich treu: Mit klarem, leicht verständlichem Stil führt er die Leser:innen durch die Schattenseiten unserer Gegenwart. Das Kapitel «Der Hunger» etwa geht tief unter die Haut: Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind unter zehn Jahren an Hunger – eine schockierende Tatsache, die vielen bekannt sein mag, aber selten so eindringlich vermittelt wird. Ziegler belässt es jedoch nicht bei der Anklage, sondern analysiert Ursachen, benennt Verantwortliche und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf. Das macht ihn nicht nur zum Mahner, sondern zum Mutmacher.

Im Zentrum seines Denkens stehen – wie so oft – die Bösewichte unserer Zeit: globale Konzerne, korrupte Eliten, machtverliebte Politiker. Doch Ziegler verurteilt nicht pauschal. Er argumentiert, liefert Daten, Hintergründe und Beispiele. Das verleiht seinem Appell Tiefe und Substanz. Der gebürtige Hans Ziegler, den einst seine intellektuellen französischen Freunde den Spitznamen Jean gaben, steht unermüdlich für die Aufklärung unserer sozialen Umstände.

Trotz aller düsteren Kapitel bleibt der Tenor hoffnungsvoll. Das letzte Kapitel trägt nicht zufällig den Titel «Hoffnung». Im Original heisst das Buch: «Où est l’espoir?»«Wo ist die Hoffnung?» Ziegler antwortet: Sie liegt in uns selbst, im Engagement der Einzelnen. Seine Botschaft: Jeder kann etwas tun. Jeder kann Verantwortung übernehmen.

Moralischer Kompass

Natürlich wiederholt sich der Autor an manchen Stellen, sowohl inhaltlich als auch emotional. Doch das sei ihm verziehen. Im Angesicht einer Weltlage, die viele als lähmend empfinden, wirkt seine Stimme wie ein moralischer Kompass. Und wer Ziegler schon kennt, wird in diesem Buch eine Art Vermächtnis entdecken – voller Ernst, aber auch mit leiser Zuversicht.

Zwei Zitate, die dem Buch vorangestellt sind, fassen seine Haltung auf eindrucksvolle Weise zusammen:

«Nur eines erbitte ich von Gott, dass der Schmerz mich nicht gleichgültig lasse und dass der bleiche Tod mich nicht allein und leer finde, ohne dass ich getan habe, was notwendig war auf dieser Erde.»
– Mercedes Sosa / León Gieco

«Die Aufgabe des Intellektuellen ist es nicht, Liebenswürdigkeiten zu verteilen, sondern zu sagen, was ist. Er will nicht verführen, sondern bewaffnen.»
– Régis Debray

Ein eindrucksvolles Buch, ein aufrüttelnder Appell, eine letzte grosse Geste eines Mannes, der sein ganzes Leben im Dienst der Menschlichkeit stand. «Trotz alledem!» sollte gelesen werden – von allen, die sich eine gerechtere Welt wünschen. Oder sie zumindest nicht gleichgültig hinnehmen wollen.

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