Kann Kunst hässlich sein?

Die Ausstellung «Schön?!» im Kunstmuseum Luzern setzt sich anhand ihrer Sammlung mit Schönheit auseinander. Wie diese sich durch die Epochen verändert und das Bild der Schönheit sich in den Köpfen wandelt. Die Ausstellung lädt dazu ein, mitzudiskutieren. Unsere Autorin Lea Windisch gibt Einblicke in die Ausstellung und in ihre Gedanken zur Schönheit in der Kunst.

Autor:in:
Lea Windisch
Titelbild:
Lea Windisch
Hinweise:

Schönheit liegt bekanntlich im Auge der Betrachtenden. Doch sobald sich etwas im Museumskontext befindet, fällt es schwer, etwas als hässlich zu bezeichnen. Laut dem Kunstmuseum Luzern schreiben ab und zu Besuchende ins Gästebuch, dass sie sich «mehr schöne Kunst» im Museum wünschen. Vielleicht ist dies eine natürliche Reaktion auf die unschönen Bilder, die man im Alltag dank des aktuellen Weltgeschehens sieht. Oder man nimmt sich nicht die Zeit, tiefgründigere Werke zu verstehen und die Schönheit hinter dem Offensichtlichen zu sehen. Aber was ist nun eigentlich «schön»?

Logik und Mathematik

Die Ausstellung beginnt mit dem, was ganz offensichtlich und wissenschaftlich als schön bezeichnet werden kann: konkrete Kunst, die auf Mathematik beruht. Ordnung, System, keine Bedeutung, dafür klare Bildlogik. Das Konzept wird über die Kreativität gestellt. Doch meine Erfahrung zeigt, dass auch diese Kunstgattung nicht von allen als schön gesehen wird. Der Aufwand, um diese Bilder zu erstellen, scheint auf den ersten Blick klein. Im Vergleich zu einer mit Öl gemalten, realistischen Landschaft wirken die geometrischen Formen wohl für viele «einfach» und «langweilig». Gehe ich mal nicht allein ins Museum, höre ich oft bei der abstrakten Kunst: «Das könntest du also als Grafikerin auch, oder?». Diese Personen, die mich das fragen, sind dann jeweils begeistert von Bildern mit bekannten Namen wie «Picasso» auf dem Schildchen und Gemälden, die aussehen, als wären sie im Gütschwald mit einem iPhone 16 Pro geschossen worden. Sie finden sie schön, weil die Technik «so krass» ist.

Ein schönes Stück Land

Bei den heutigen Mietpreisen ist es schwer, eine Wohnung mit Nähe zur Natur oder gar Ausblick ins Grüne zu ergattern. In vielen Museen kann man aber die Schönheit der Natur auch «indoor» noch geniessen. Im späten 18. Jahrhundert hat die Landschaftsmalerei durch das Aufkommen der Romantik einen höheren Stellenwert erhalten. Bereits damals galt die unberührte Natur als ein Ort der Sehnsucht, aufgrund der industriellen Revolution, der Zersiedelung und der Zerstörung der Natur. 

Robert Zünd (1827–1909), Buchenwald 1886/1887

So wurde also, was in der alltäglichen Welt als schön gilt, auch zum Motiv der Schönheit in der Welt der Kunst. So sind in den meisten Sammlungen der Schweizer Museen Landschaftsbilder, beispielsweise von Robert Zünd (1827–1909) und Ferdinand Hodler (1853–1918), zu sehen. So auch in der Sammlung des Kunstmuseums Luzern. In diesem Kontext scheint Schönheit etwas zu sein, das es festzuhalten oder gar zu konservieren gilt.

Mona Lisa in Luzern

Die Mona Lisa, eines der bekanntesten Bilder der Welt. Unzählige Leute pilgern nach Paris, um das kleine Bild anzuschauen. Ob dies ein schönes Bild ist, sei dahingestellt. Aktuell ist das Bild im Kunstmuseum in Luzern zu sehen. Es ist zwar nicht das Original, aber man kann es hier ohne einen Schwall von Tourist:innen und sogar ohne Glas zwischen Auge und Öl anschauen.

Louis Béroud (1852–1930), «La Jaconde d’après Léonard deVinci», 1911

Das Bild kam 1952 als Schenkung ins Museum. Über Jahrhunderte war es ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung, Meisterwerke anderer Künstler:innen zu kopieren. Dieses Exemplar stammt von Louis Béroud (1852–1930). Er wollte 1911 die Mona Lisa abmalen und merkte sogar als Erster den berühmten Raub im Louvre. Das Bild fehlte und Louis Béroud malte sein Bild anhand von Reproduktionen.

Ich frage mich: Muss etwas ein Original sein, um schön zu sein? Trägt die Idee, das sogenannte «geistige Eigentum» und die Geschichte dahinter mehr zur Schönheit eines Kunstwerks bei als das Beherrschen einer schwierigen Technik und die Verwendung teurer Materialien? Für mich sind definitiv die Idee und die Geschichte dahinter, der Mut sowie der Drang, diese Idee umzusetzen, die wahre Kunst. Deshalb ist meine Antwort auf die Frage, ob ich das nicht auch könne, so ein paar Striche auf eine Leinwand zu «schmieren»: doch, aber ich hatte nicht die Idee und die Passion, es zu tun.

Für mich ist es wichtig und macht somit einen Museumsbesuch «schön», wenn mich Kunst zum Nachdenken anregt. Kunst darf – ich würde sogar sagen, sie muss – auch unschöne Dinge ansprechen. Ein Bild von einem Wald konserviert zwar die objektive Schönheit des Waldes, weist aber je nach Kontext gleichzeitig auf die Zerstörung der Natur hin. Die konkrete Kunst, einfache Formen und ohne Titel, wie bei Verena Loewensberg (1912–1986), lässt die Betrachtenden ohne Beeinflussung interpretieren. Die Kunst ist das, was man will, dass sie es ist. Je nach Blickwinkel und Standpunkt, je nach Lebenssituation und Gemütszustand ist sie anders, und das finde ich das Schöne an der Kunst.

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