Bei so viel Party darf natürlich auch ein eigener Gott für Feste und damit natürlich auch für den Wein nicht fehlen. «Sine Cerere et Baccho friget Venus» ist ein Zitat des römischen Dichters Terenz aus ca. 195-159 v. Chr. Und bedeutet so viel wie: ohne Ceres und Bacchus friert Venus. Venus ist, wie wahrscheinlich viele wissen, die Göttin der Liebe, Erotik und Schönheit. Bacchus ist der oben erwähnte Gott des Weines und des Festes und Ceres ist die Göttin der Ernte und der Fruchtbarkeit. Terenz sagt also eigentlich: Ohne ein gutes Fest mach die Liebe nur halb so viel Spass.
Abseits der ausufernden Feste, welche oft auch Ursprung neuer Konflikte und Geschichten sind, erzählen antike Mythen allerdings vor Allem von tragischen Liebesbeziehungen, verzwickten Familiensituationen, komplizierten Verhältnissen zwischen den Menschen und den Göttern und davon, wie die Götter eigentlich auch nur Menschen sind. Also werfen wir nun einen Blick auf die ersten aller Märchen - die antiken Sagen – und schauen uns an, wie sie bis heute die Kunst beeinflussen.
Wir kennen viele Geschichten, in welchen Menschen durch Flüche und Verwünschungen in Tiere verwandelt und nur mit der Hilfe der wahren Liebe wieder zu Menschen werden. Sei es der Froschkönig, die Schöne und das Biest oder Schneeweisschen und Rosenrot, wir scheinen eine gewisse Faszination für die Wandlung vom Mensch zum Tier und umgekehrt zu empfinden. Auch der sich anbahnende Herbst und die damit verbundene Auferstehung von Twilight, Teenwolf und co. zeugen von dem popkulturellen Bann der Metamorphose, oft auch hier in Kombination mit Liebe oder Begierde.
Der ursprünglichste aller Gestaltwandler ist jedoch wohl der Göttervater Zeus. Zahlreiche Mythen beginnen und enden damit, dass Zeus sich (mal wieder) in eine wunderschöne Erdenfrau verliebt und sie in Form eines Tieres schwängert. Die Regel der Götter erlaubt es ihnen zwar nicht sich in ihrer natürlichen Form den Menschen zu offenbaren, wieso sich Zeus jedoch öfters für die Gestalt diverser Tiere statt die eines schönen Mannes entscheidet weiss nur er allein. Der vermeindliche Zusammenhang von Gestaltwandlung und der Liebe scheint also ein sehr alter Gedanke zu sein. Aus diesen seltsamen Liebschaften gehen oft wunderschöne göttliche Sprösslinge hervor, die entscheidende Rollen in weiteren Mythen spielen. So auch in der Sage von Leda und dem Schwan. Zeus erscheint der trojanischen Königin Leda als Schwan, worauf diese vier Eier (wtf?) gebährt. Aus einem dieser Eier schlüpft die unsterbliche Helena, Göttin der Mädchen und Frauen, deren Entfürung später den Krieg zwischen Sparta und Troja auslösen wird. Zahlreiche Künstler haben sich schon dem Motiv der kuriosen Liebesbeziehung angenommen. Meist zeigt es einen eleganten Schwan und eine leicht bekleidete oder nackte junge Frau in einer erotischen oder zärtlichen Geste umschlungen. Schon in römischen Thermen in Pompeii zeigen Fresken eine hübsche Frau mit Schwan auf ihrem Schoss Der informierte Betrachter erkennt die Erotik der Szene, während sie den Unwissenden lediglich eine tierliebende junge Frau zeigt. Im Hinblick auf diese Deutung ist es also schon fast obszön, wie oft diese Szene beispielsweise in den florentiner Uffizien abgebildet wird.
Bei meinem Besuch diesen Frühling habe ich zahlreiche Statuen, Gemälde und sogar Deckenmalereien von Leda und ihrem Schwan entdeckt. Es wurde für mich schon beinahe zu einer heimlichen Schnitzeljagd, wo ich die Szene noch überall finden kann, auch wenn ich die Bedeutung der Abbildungen erst gänzlich durch die Recherche für diesen Artikel erkannte. Das bekannteste Werk ist wohl ein Gemälde von Leonardo da Vinci, welches jedoch leider zerstört wurde. Allerdings existieren mehrere Kopien, die von da Vincis eigenen Schülern gefertigt wurden. Eine davon hängt heute ebenfalls in den Uffizien in Florenz.
Moderne Künstler:innen wie Cy Twombly oder die britische Künstlerin Barbara Walker betrachten die antike Geschichte jedoch kritischer. In diesen neueren Kunstwerken sind nicht mehr die Eleganz des Tieres und die Schönheit der jungen Frau im Fokus. Stattdessen zeugen harte Striche, blutige Szenen und makabere Bilder von der Übergriffigkeit des Gottes. Leda steht darin stellvertretend für alle Frauen, die Zeus getäuscht und verführt hat und ist damit zu einem Symbol des Feminismus geworden. Sie ist ein Beispiel dafür, wie vielen Frauen die Macht über das eigene Schicksal durch Handlungen von Männern entrissen werden kann.
Auch die zweite Variante der Sage, in welcher Helena nicht Ledas eigene Tochter sondern die der Nemesis ist, zeigt in gewisser Weise die abwesende Kontrolle über das eigene Leben. Sie bekommt ein Kind, welches nicht ihr eigenes ist und welchem sie dennoch fortan Verpflichtet ist. Trotz der unklaren Herkunft Helenas kümmert Leda sich um das Mädchen wie um ein eigenes Kind und wird somit ebenfalls zu einem Symbol der bedingungslosen Mutterliebe. Ausserdem kann Leda stellvertretend als Mutter aller Frauen angesehen werden, da Helena als Göttin der Mädchen gilt. In modernen Adaptionen des Mythos erscheint Leda somit als starke Kämpferin, die jeglichen widrigkeiten trotzt. Die Kombination von Hilflosigkeit und bedingungsloser Fürsorge erzeugt eine neue Deutung des Mythos, die nicht in stiller Akzeptanz sondern in kämpferischer Eigeninitiative aufgeht. Leda zeigt, wie wir selbst unser Schicksal in die Hand nehmen und dadurch mit gutem Beispiel für die nächste Generation voran gehen können. Sie wird von der hilflosen Verführten zur feministischen Ikone und beweist zusammen mit ihrer (zieh-)Tochter, wie starke Frauen noch stärkere Mädchen hervorbringen.