Kunstfälschung - «Die Kunst hat keinen Wert. Nur einen Preis!»

Zur Vorbereitung unserer neusten Ausgabe «Irrtum» haben wir uns im Kunstressort gefragt: Was passt besser dazu als das Thema der Kunstfälschung? Wie es der Zufall wollte, konnten wir herausfinden, dass der wohl bekannteste westliche Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi im Hotel Waldstätterhof in Brunnen einen Vortrag hält.

Autor:in:
Layla Hollenstein

Als wir in dem Seehotel ankommen, werden wir direkt von einer ziemlich imposanten Menschenschlange begrüsst. Das Hotel selbst ist ein alt herrschaftliches Gebäude aus dem 19. Jahrhundert und wunderschön restauriert, ohne dass sein opulenter Charme dabei verloren ging. Der Event findet im eleganten «Mythen-Saal» des Hotels statt, an dessen hoher Decke verspielt florale Jugendstil-Kronleuchter hängen. Die gesamte Atmosphäre vermittelt etwas Festliches, was meine Vorfreude auf den bekannten Kunstfälscher noch verstärkt.

Begrüsst wird die Gesellschaft durch Andreas Imbaumgarten, der die Veranstaltung eröffnet und den Moderator des Abends, Journalist und Publizist René Scheu, und den Ehrengast Wolfgang Beltracchi kurz vorstellt. Nach dieser kurzen Einführung geht es auch schon los mit dem Hauptteil des Abends. René Scheu führt uns kurz in die Arbeit von Wolfgang Beltracchi ein.

Was vielen nicht bewusst ist: Beltracchi erstellte kein einziges Duplikat. Stattdessen lernte er die Malweise von Künstler:innen zu imitieren. Er nennt das die Handschrift erkennen. Mit dieser Fähigkeit erschuf er über 300 neue Werke im Stil von über 100 verschiedenen bekannten Maler:innen. Doch statt mit seinem eigenen Namen unterzeichnete er eben mit dem des:r vermeintlichen Künstlers:in, erfand eine Provenienz (Herkunft) mit falschen Aufklebern von berühmten Galerien und machte sich so der Urkundenfälschung schuldig. Beltracchi und seine Frau Helene wurden schliesslich dadurch gefasst, dass er ausnahmsweise kein selbstgemischtes, sondern gekauftes Weiss verwendete. Dieses enthielt Titanweiss, welches jedoch zu der Zeit des betreffenden Malers noch nicht verwendet wurde.

Kunst heute

Nach einigen Einführungen und Lob an die Schweizer Zurückhaltung und die schöne Landschaft rund um den Vierwaldstädtersee von Seiten des Künstlers fiel das Gesprächsthema natürlicherweise schnell auf die Frage, was Kunst denn nun sei. Laut Beltracchi sei wahre Kunst rar, autonom, nicht reproduzierbar und entstehe vor Allem aus Können. Im Gegensatz dazu entstamme die moderne Kunst mehrheitlich dem Unvermögen. Passend zum Gesprächsthema fangen nacheinander drei Handys an zu klingeln, worauf sich der humorvolle Ehrengast einen kleinen Seitenhieb gegen das Unvermögen der betreffenden Personen nicht verkneifen kann. Nach dieser kurzen Unterbrechung setzt er seine Ausführungen jedoch fort. Moderne Kunst entstehe meist dadurch, dass man sich zuerst überlege, was man nicht kann. Zum Beispiel werde man dadurch zur abstrakten Künstler:in, da einem die Fähigkeit zur realistischen Darstellung fehle. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass man so nicht erfolgreich sein kann. Wolfgang Beltracchi macht ziemlich klar, dass er den Erfolg eines Kunstschaffenden nicht mit dessen Talent gleichsetzt. Diese Unterscheidung macht er nicht nur in der Moderne. Auch früher schon betrieben erfolgreiche Künstler Werkstätten, die ihre erfolgreichen Werke reproduzierten und Vervielfältigten. Dabei unterscheidet er erneut zwischen Kunst und dem Kunsthandwerk. Das Handwerk umgibt und beeinflusst uns täglich. Kunst jedoch trifft man selten an.

Werke, die seinen eigenen Namen tragen... (Bild: Layla Hollenstein)

Das Vermögen eines Kunstschaffenden bezieht Beltracchi nämlich nicht nur auf die bildnerischen Talente, sondern auch auf das Wissen um vergangene Kunstwerke. Eine wahre Künstler:in lässt sich von dem bereits Dagewesenen inspirieren, adaptiert Techniken und Darstellungsweisen und kreiert mit diesen Mitteln etwas Neues, das trotzdem vertraut wirkt. Es existieren einige Künstler:innen, deren erste Werke durchaus als Kunst gelten können. Doch durch die dem Erfolg entstammende Wiederholung sind sie zu Kunsthandwerkern mutiert.

Die Handschrift der Kunst

Die drei Kategorien Kunst, Handwerk und Markt zeigen einen grossen Hauptkonflikt auf: Wahre Kunst ist nicht für den Kunstmarkt gemacht. Alle Kunstschaffenden sind Menschen und daher ständigem Wandel unterworfen. Wären sie allein der Kunst verpflichtet, würden sie dem Drang der Veränderung nachgehen. Durch den Druck des Erfolgs sind sie jedoch gezwungen eine mehr oder weniger stabile Handschrift und Sprache zu entwickeln, denn der Markt will ihren Wiedererkennungswert verkaufen. Nur wenigen gelang es mit der Zeit, ihre Handschrift zu ändern und trotzdem auf dem Markt erfolgreich zu bleiben.

Beltracchi definiert die Handschrift eines:r Künstlers:in mit der Kombination aus Bewegung und Zeit. Wenn man den Pinsel schnell über die Leinwand zieht, entsteht ein anderer Duktus als bei einer langsamen sorgfältigen Bewegung. Die Fähigkeit diese Handschrift zu erkennen und zu imitieren war ein wesentlicher Teil des Erfolges Wolfgang Beltracchis. Als Sohn eines Kirchenmalers wuchs er von Malerei und Kunst umgeben auf. Das schulte sein Auge und seine Hände schon früh Kunst zu erkennen und auch selbst zu erschaffen. Somit war er zu Beginn seines Kunststudiums doch sehr verwundert, als alle anderen die Kunstbetrachtung zuerst lernen mussten, da dies für ihn das natürlichste der Welt zu sein schien. Er betrachtet Kunst durch die Augen eines Künstlers. Dadurch wirkt seine Perspektive sehr sachlich und trotzdem nicht distanziert. Auch während seiner minutiösen Sezierung von Kunst, Können und dem Kunstmarkt meint er stets: «Wenn einem ein Bild zusagt, ist egal was Ich, der Markt oder Experten sagen. Kunst muss vor Allem gefallen.». Etwas zynisch fügt er an: «Die Kunst hat keinen Wert, nur einen Preis.»

Wer kann was?

Der Abschluss des Gesprächs bildet ein kleines Spiel, welches schon zur Tradition zwischen den beiden Gesprächspartnern geworden zu sein scheint. René Scheu nennt die Namen bekannter Künstler:innen und Beltracchi gibt seine Einschätzung zu deren Können in Bezug auf seinen Kunstbegriff. Die Resultate sind überraschend. Während Personen wie Giacometti, Albert Anker und Picasso in den Augen des berühmten Fälschers gut wegkommen, ist er von Warhol, Teuber Arp und Füssli weniger begeistert. Auch von Hodler, Van Gogh und Richter ist er nur teilweise überzeugt. Zu Ihnen sagt er: «Sie hatten einige gute Werke, vieles ist jedoch auch kommerziell oder etwas langweilig.» Besonders interessant ist Beltracchis Betrachtung von Joseph Beuys, den er selbst persönlich kennenlernen durfte. «Der Mann war als Person ein Kunstwerk. Wenn man seine Werke mit diesem Hintergrund betrachtet, sind sie es auch», meint er. Diese Aussage lässt mich fragen, ob seine Einschätzungen anders ausgefallen wären, hätte er alle besprochenen Künstler:innen persönlich gekannt.

Seine Haltung gegenüber dem Kunstmarkt wird auch in diesem Spiel sehr deutlich: «Es gibt einige Künstler:innen deren Werke absichtlich zurückgehalten werden, um eine künstliche Verknappung zu erreichen.» Der Markt sei süchtig nach Rarität und Unkonventionellem. So interpretieren Kunsthistoriker:innen Tiefgründigkeit in oberflächliche Kunst, da sie überall eine zweite und dritte Ebene finden wollen. Als Kunsthistorikerin ertappe ich mich, wie ich sofort in eine Abwehrhaltung verfalle. Sein folgender Vergleich stimmt mich jedoch wieder versöhnlicher. «Ich glaube zum Beispiel, dass Duchamps Urinal vor allem als Witz gemeint war.», meint Wolfgang Beltracchi schmunzelnd. Auf Grund dieser Unersättlichkeit habe auch sein Betrug so gut funktioniert. Anders als beispielsweise in China, wo der bekannteste Kunstfälscher als ‘Michelangelo’ seiner Zeit gesehen wird, sieht man in der westlichen Welt nur die Originale als Kunst an. Noch heute gäbe es Fälle, in denen die Museen nicht wahrhaben wollen, dass ihre beliebtesten Werke aus der Hand Beltracchis stammen. Daher testen sie die Bilder von oben bis unten, trotz seinem Angebot, auf Nachfrage jedes seiner Gemälde zu identifizieren. Er wolle ja auch nicht den Frieden der Museen stören meint er. Nur wenn er in einen Zwist gerät, bleibe er manchmal absichtlich etwas länger vor dem beliebtesten Bild der Ausstellung stehen, «dann fangen sie plötzlich an zu schwitzen», meint er mit Schalk in den Augen.

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