Oasis-Fans haben dieses Jahr ihr Weihnachtsgeschenk sehr früh bekommen. Im Sommer verbreitete sich die Meldung wie ein Lauffeuer: Die Band geht nach 15 Jahren Pause wieder auf Tour. Damit hätte wohl kaum jemand gerechnet. Aber: Neue Musik werden sie keine aufnehmen. Die Band will an alte Erfolge anknüpfen und ihren Kult-Sound neu verbreiten. Kommt das gut?
Fans werden sagen: Yes! Denn was wünschen sich die alten Oasis-Anhänger:innen mehr, als ihre Lieblingsband noch einmal live zu erleben? Es sei ihnen gegönnt. Dennoch drängt sich die Frage auf, was diese Reunion bezwecken soll. Wenn Oasis keine neue Musik aufnimmt, ist nicht davon auszugehen, dass die Liebe und Leidenschaft fürs Musikmachen der Hauptantrieb für diese Entscheidung sind. Wir wollen ihnen ja nichts unterstellen – aber eine musikalische Weiterentwicklung ist doch für jede:n Musiker:in spannender, als immer wieder die gleichen alten Kamellen auszupacken, nicht wahr?
Auf der anderen Seite kann es gut sein, dass die Nostalgie eine grosse Rolle spielt, wenn Bands sich wieder vereinen. Das sieht man in der Schweiz wunderbar am Beispiel Plüsch. Die Band hatte sich vor zwölf Jahren aufgelöst und damit viele Herzen gebrochen. Mit Hits wie «Heimweh» haben sie an den grössten Festivals gespielt, viele ausverkaufte Konzerte gerockt und gehörten dank der grossartigen Stimme von Ritschi und dessen Entertrainment-Talent zu den ganz Grossen am Schweizer Musikhimmel. Auch sie spielen aktuell ihre alten Hits wieder. Alle Shows waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Neue Songs gibt es aber nicht. Wollen das die Fans denn?
Die Antwort zeigte sich am Seaside-Festival in Spiez diesen Sommer. Nachdem Grössen wie Rag'n'Bone Man oder James Blunt die grosse Festivalbühne bespielt hatten, dachte man, dass nichts mehr kommen könnte, was diese Konzerterlebnisse toppen könnte. Und dann kam Plüsch. Die Autorin hat noch immer Gänsehaut, wenn sie an diesen Moment zurückdenkt. 10'000 Menschen standen dicht gedrängt vor der Hauptbühne. Andere Areas des Festivals waren komplett leer. Die Local Heroes aus Interlaken waren zurück – und das wollte sich niemand entgehen lassen. Was dann passierte, war an Emotionen und Überwältigung kaum zu überbieten. Plüsch betraten die Bühne und zogen eine unglaubliche Show durch. Die Bandmitglieder hatten Tränen in den Augen. Die 10'000 Menschen sangen jede Zeile jedes Songs mit und es war eine Stimmung, der sich kein Mensch entziehen konnte. Man fühlte sich zehn Jahre zurückversetzt. Diese frühere Liebe für die Musik entflammte, als wäre das erste Album erst gestern erschienen. Neue Songs hätte es da definitiv nicht gebraucht.
Oasis und Plüsch setzen also auf ihre alten Hits. Plüsch zeigt, dass das funktioniert. Wie ist es denn nun, wenn eine Band nach vorne schaut und weitermacht? Sieben Jahre nach dem Tod von Frontmann Chester Bennington meldet sich die Kultband Linkin Park zurück. Mit einer neuen Person an der Front: Sängerin Emily Armstrong. Die Frauenstimme wird sich ganz klar von den alten Linkin-Park-Hits absetzen und sie in ein neues Gewand kleiden. Dafür wird's definitiv neuen Sound der Band geben: Das neue Album heisst passenderweise «From Zero». Die Linkin-Park-Fans sollten begeistert sein. Sind sie es auch? Wie ist die Erwartungshaltung?
«Die Band wird nicht mehr dieselbe sein», heisst es in den Kommentarspalten. «Es wird schwierig für die neue Sängerin, diesen Kult zu reaktivieren». Dennoch sind die meisten Stimmen zuversichtlich: «Zum Glück ist es eine weibliche Stimme. So wird der Vergleich mit Chester Bennington gar nicht zum Thema», schreiben viele Fans. «Linkin Park ist mehr als nur die Stimme. Wir freuen uns unglaublich, die alten Songs wieder live hören zu können. Und dass neue Musik kommt, ist der Oberhammer!», heisst es unisono in Fan-Foren.
Man sieht also: Eine Reunion kann beides sein: Ein nostalgischer Freudentanz oder eine Renovation, eine Weiterentwicklung dessen, was schon mal da war. Wichtig dabei ist wohl nur, dass die Leidenschaft dafür noch da ist.