
Tatsächlich war es bereits so voll, dass wir immerhin noch einen schönen Sitzplatz am seitlichen Tresen erhielten. Das Publikum war so bunt gemischt wie ein Freibad im Hochsommer: die Grossmutter neben dem Enkel, das Mittvierziger-Pärchen neben Studierenden. Alle können etwas anfangen mit dem Mann, der sich weder um den Nobelpreis noch um sein Biopic scherte. Aber darum geht es ja auch an diesem Wochenende nicht. Nein – es geht um die Idee, gemeinsam mit unterschiedlichsten Künstler:innen die Werke des Singer-Songwriters aus Duluth, Minnesota, gebührend zu interpretieren.
Die musikalische Leiterin Sarah Bowman war Ideengeberin, orchestrierte den Abend und war hauptverantwortlich für die auftretenden Künstler:innen – natürlich in Begleitung von René Burrell, der als Mitveranstalter der Reihe Pillow Songs einen warmen Empfang einleitete.

Schon das Bühnenbild mit seiner wunderbaren Wohnzimmer-Atmosphäre war ein Hingucker und verlieh dem Raum ein besonderes Ambiente. Bowman ergriff das Wort, erzählte von ihrer Beziehung zu Dylan, der Entstehung des Abends und davon, was er ihr im Laufe ihrer musikalischen Laufbahn bedeutet. Dazu wurde der heutige Ehrengast Trummer vorgestellt. Er durfte auch direkt eröffnen und spielte Gitarre und Blues Harp.
Allerdings wurde da schnell klar, dass er wohl eigene Songs präsentieren würde. Was er auch tat – was uns zunächst etwas irritierte, aber im Prinzip gut ins Konzept passte. Ein kleiner Verhaspler wurde charmant vom Publikum abgeklatscht. Als er erwähnte, er hoffe, es sei keine Presse anwesend, verstanden wir das akustisch nicht ganz – zu viele neue Gäste drängten sich in den inzwischen sehr vollen Saal.

Nach und nach wechselten neue Künstler:innen auf die Bühne, und der Abend kam richtig in Fahrt. Bowman griff zwischendurch zum Cello und blieb eine tolle Gastgeberin, die mit witzigen Anekdoten für eine warme Stimmung sorgte. Bei «All Along the Watchtower» überzeugte sie nicht nur mit ihrem Spiel, sondern auch mit ihrer Stimme.
In die Pause wurden wir mit «The Man in Me» gegroovt – dem Titelsong des Filmklassikers The Big Lebowski. Sehr lässig. So konnte es gerne weitergehen.
Nach der Pause wirkte der Saal noch voller – und das war auch Fakt: Zwischenzeitlich kamen sicher noch dreissig weitere Gäste ins Chäslager. Schön! Wenn auch schwierig für unsere Fotografin Roberta, die sich aber charmant durch die Menge schlängelte.
Natürlich waren wir auch da, um unsere Chefredaktorin und liebe Kollegin Bezzy zu hören. In der ersten Hälfte hatte sie Trummer bereits im Refrain begleitet – aber wann war sie endlich dran? Ihren Lieblingssong, den sie singen durfte, verriet sie uns schon im Vorfeld. Ebenso, dass sie selbst Initiative ergriffen hatte, als sie von der Veranstaltung erfuhr.

Zwischendurch erzählte Sarah Bowman fast wie in einem Spoken-Word-Vortrag Geschichten und Songtexte auf Englisch. Generell mischte sie beim Erzählen immer wieder Englisch und Deutsch, blieb aber meist bei ihrer Muttersprache. Die zweite Hälfte hatte definitiv mehr Schwung – und noch mehr Musiker:innen. Es ging Schlag auf Schlag. Die Künstler:innen wechselten Instrumente und Gesang, und man hatte fast das Gefühl, es höre gar nicht mehr auf vor lauter Gästen. Grossartig, kurzweilig – und als Sarah die Story von Hurricane erzählte, wartete das Publikum gespannt, ob der Titel wohl gespielt würde. Antwort: leider nein.

Dafür kam «Mr. Tambourine Man», und das Publikum sang friedlich-besinnlich mit. Ein kleiner Hauch Magie lag in der Luft. Und welch Glück – danach durfte unsere Frachtwerkerin ans Mikro. Und ja, selbstverständlich sind wir da befangen, aber hey: She killed it! «You’re Gonna Make Me Lonesome When You Go• – und das wären wir auch gewesen, wenn wir früher gegangen wären.

Genauso beseelt waren wir von «Make You Feel My Love» mit Johanna, die uns leicht zum Schmelzen brachte. Hach – und als wäre das nicht schon überwältigend genug, luden Sarah und René zum grossen Finale ein: das Publikum und alle Künstler:innen des Abends vereint, um gemeinsam «Knockin’ on Heaven’s Door» zu schmettern. Himmlisch – ein spektacooläres Ende. Nice!

Herzlichen Dank an alle Artists! Eine Übersicht findet ihr unten. Und ein herzliches Merci an die lieben Chäslager-Menschen – ihr solltet diese urige, charmant-spezielle Location unbedingt besuchen, falls ihr das nicht längst getan habt. Ein Beweis mehr, dass Dylans Musik weiterleben wird, wenn er es irgendwann selbst nicht mehr tut. So viel ist uns nach diesem Abend klar geworden. Dazu müsst ihr nicht unbedingt in Montreux beim Jazzfest 365 Stutz ausgeben – diese absurde Zahl begleitet mich schon so lange. Haha! Kommt gut in den November – und hört mehr Musik.
Teilnehmende Künstler:innen
Trummer, René Burrell, Christian Winiker, Dominique Grütter, Johanna Rönicke, Simone Claude, Amrit Beran, Bezzy, Kowalski, Eden, Rémy Matter, Mila Lussi, Goldschatz, Zeyana, Célia von Matt, Florian Limacher, Dario Zanin und Antonia Gasser