«Wir glauben daran, dass es weitergeht» – so blickt das B-Sides-Team auf die Neuausrichtung des Festivals

Das B-Sides Festival in Luzern ist längst eine Kulturinstitution – mit Strahlkraft weit über die Zentralschweiz hinaus. Doch kurz vor seiner 20. Ausgabe stand das Festival aufgrund sinkender Besucher:innenzahlen vor dem Aus. Ein erfolgreiches Crowdfunding und eine strategische Neuausrichtung sollen nun die Wende bringen. Doch was hat sich konkret verändert? frachtwerk-Autor Maurice Köpfli im Gespräch mit den B-Sides-Teammitgliedern Sam Aebi und Benedikt Geisseler.

Autor:in:
Maurice Köpfli
Titelbild:
Maurice Köpfli
Hinweise:

frachtwerk: 20 Jahre B-Sides – herzlichen Glückwunsch! Heute ist Samstag, zwei Drittel der Jubiläumsausgabe liegen hinter uns. Wie fühlt sich das an?

Sam Aebi: Surreal, dass wir uns schon dem Ende nähern! Ich bin super happy.

Benedikt Geisseler: Ebenfalls super happy. Wir sind seit einer Woche hier am Campieren – alles am Vorbereiten. Ich bin selbst erstaunt, dass unsere Energie noch hält – trotz wenig Schlaf.

frachtwerk: Seit zwei Jahrzehnten gibt es das B-Sides Festival. Was waren eure persönlichen Highlights?

Benedikt Geisseler: Es ist schwierig ein Highlight zu nennen. Ich habe 2016 beim B-Sides angefangen – damals in der Kommunikation und im Marketing. Seither habe ich fast jeden Job gemacht: von der Reinigung über DJing bis hin zum Booking. Mein Highlight ist jedes Jahr aufs Neue die Zeit mit dem Team – besonders, wenn das Wetter so ist wie dieses Jahr. Es ist eine wunderschöne Erfahrung. Viele nehmen sich dafür frei, ich auch. Es fühlt sich nicht an wie ein ‚müssen arbeiten‘, sondern eher wie ein Runterkommen.

Sam Aebi: Am B-Sides beteiligen sich über 400 helfende Personen. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist etwas Besonderes. Gerade in diesem Jahr, in dem wir so viel gedacht und geplant haben. Jetzt wird alles umgesetzt, und dieser Moment ist wunderschön.

frachtwerk: Ihr habt die Veränderungen angesprochen. Letztes Jahr kamen deutlich weniger Besucher:innen – auch finanziell war das spürbar. Als Reaktion habt ihr ein Crowdfunding gestartet. Wie kam es so weit?

Benedikt Geisseler: Der Rückgang bei den Besucher:innenzahlen betraf nicht nur die letzte, sondern die beiden vergangenen Ausgaben. Das betrifft nicht nur uns – viele Veranstaltende stehen gerade vor grossen Herausforderungen. Andere Festivals haben es leider nicht geschafft und mussten aufhören. Wir hatten das Glück, dass unser Crowdfunding funktioniert hat – mit über 400 Menschen, die uns unterstützt und Geld gespendet haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

frachtwerk: Zum Beispiel?  

Benedikt Geisseler: Wir hatten Veränderungen im Programmteam. Unser langjähriger Booker ist gegangen, es gab einen Wechsel – und das hat auch ein neues Publikum mit sich gebracht. Aktuell sind wir wieder ein neues Team. Aber auch die weltweite und gesellschaftliche Situation spielt mit rein. Es wird nicht mehr gleich konsumiert – das spürten wir deutlich. Zum Beispiel lief die Bar nicht mehr wie früher. Es ist sehr schwierig, als unabhängige Kulturinstitution zu überleben. Da muss man vielleicht zwei, drei Jahre durchhalten, bevor sich die Lage wieder stabilisiert.

frachtwerk: Hat das B-Sides nach 20 Jahren vielleicht auch eine Art Identitätskrise durchgemacht? Musstet ihr euch fragen, für wen ihr dieses Festival eigentlich macht?

Sam Aebi: Durch das Crowdfunding ist definitiv ein gewisser Druck entstanden, und wir mussten uns eingestehen: So kann es nicht weitergehen. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen uns finanziell unterstützen. Im Gegenzug wollten wir zeigen, dass wir etwas verändern. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Wandel überhaupt stattgefunden hätte, wenn alles normal weitergelaufen wäre. Wahrscheinlich nicht. Das sehe ich positiv – dass wir etwas ändern mussten.

frachtwerk: Was waren die konkreten Veränderungen? Wo habt ihr Lehren gezogen?

Benedikt Geisseler: Wir haben das Gelände luftiger gestaltet – alles verteilt sich jetzt etwas besser. Mit der neuen Bühne im Wald haben wir etwas geschaffen, das gut funktioniert. Die Waldbühne ist etwas «clubbiger» als das, was wir vorher hatten. Auch programmatisch gab es Umstellungen: Wir sind vom Sound her lauter und stellenweise härter geworden. Es stehen häufiger Formationen oder grössere Bandbesetzungen auf der Bühne – weniger Solo-Acts.

frachtwerk: Wen möchtet ihr mit dieser Umstrukturierung ansprechen – wer ist euer Zielpublikum, Stand 2025?

Sam Aebi: Ich habe das B-Sides-Publikum immer als einen grossen, nicht direkt definierten Kreis wahrgenommen. Letzten Sommer, als wir gemerkt haben, dass es nicht mehr so gut läuft, haben wir eine Umfrage gemacht. Dadurch konnten wir unsere Zielgruppe besser schärfen.  Früher haben wir stärker auf Publikum aus diversen Schweizer Städten gesetzt. Heute liegt der Fokus mehr auf Luzern – auf musikinteressierten Menschen, die auch in einer Szene zuhause sind.

frachtwerk: Um was für eine Szene handelt es sich?  

Benedikt Geisseler: Diverse Szenen – wir sprechen nicht nur eine einzelne Bubble an. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen einzubeziehen. Aber natürlich richtet sich das Festival in erster Linie an ein kulturinteressiertes Publikum, das offen für Musik ist und Lust hat, Neues zu entdecken. Oft kennt man die Bands, die spielen, vorher nicht. Dafür braucht es Menschen, die genau das suchen: Überraschungen und musikalische Entdeckungen auf dem Festival.

frachtwerk: Kommt das an - was ist euer Zwischenfazit?

Sam Aebi: Wir sind über unseren Erwartungen und sehr glücklich. Von der Geländeumstellung bis hin zu all den Änderungen, die wir vorgenommen haben – es hat sich gezeigt, dass sie funktionieren. Auch wurden bis jetzt genügend Tickets verkauft

Benedikt Geisseler: Wir erhalten viel positives Feedback. Natürlich gab es ein paar Unbekannte, vor allem durch das neue Gelände. Für uns war auch vieles neu. Aber klar: Nach dem Festival werden wir das Ganze im Debriefing noch einmal genau anschauen.

Die Frage aller Fragen: Wird es eine 21. Ausgabe des B-Sides geben?

Benedikt Geisseler: Wir haben intern immer gesagt: Etwas gibt es immer – egal in welcher Form. Und wir gehen fest davon aus, dass es nächstes Jahr eine Ausgabe sattfinden wird. Mit dem Wetter, den Menschen, der Stimmung – wir glauben daran, dass es weitergeht.

frachtwerk: Die letzten Stunden des Festivals sind nun angelaufen – worauf freut ihr euch zum Schluss ganz besonders?

Sam Aebi: Heute Abend freue ich mich auf ein musikalisches Highlight – Sextile. Und dann kommt noch unsere Tradition: Am Samstagabend stossen wir als Team gemeinsam an. Am Mittwoch folgt dann die Platzübergabe, und der Abbau wird nochmal intensiv – da helfen auch wieder viele andere mit. Aber genau das ist für mich Teil des Highlights: dass so viele Menschen über so eine Zeit gemeinsam zusammenkommen und etwas wie das B-Sides auf die Beine stellen. (Ramona Bolliger und Benedikt Geisseler nicken zu).

 

Verlosung

Infobox