«Ein bisschen irrt man ja immer im Leben»

Das ist Célines erster Kommentar – zu unserem Monatsthema Irrtum –, als wir auf einer Dachterrasse zufällig ins Gespräch kommen. Céline ist leidenschaftliche Sängerin und im letzten Jahr ihres Studiums für klassischen Gesang. Musik wird in ihrem Leben grossgeschrieben und nimmt viel Platz ein – manchmal etwas zu viel? Sie erklärt sich gleich spontan für ein Interview bereit. Am nächsten Tag treffen wir uns in einem Café.

Autor:in:
Nora Zihlmann
Titelbild:
z.V.g.
Hinweise:

Du sagst: «Ein bisschen irrt man ja immer im Leben.» Wie meinst du das?

Man ist immer auf einem Weg, sei es im Job oder sonst im Leben. Manchmal scheint es klar zu sein, wohin dieser führt, man hat Pläne. Und dann nimmt der Weg plötzlich eine unerwartete Wendung. In dem Sinne irrt man immer wieder ein wenig umher, macht sich Gedanken, bildet Meinungen, bekommt wieder neue Vorstellungen davon, wohin man will.  

Wie bringst du Musik mit Irrtum in Verbindung?

Da fällt mir der musikalische Begriff «Trugschluss» ein. Das ist eine harmonische Funktion, ein harmonisches Mittel. Das Gehör erwartet in der Melodie eines Stückes einen Schluss, der dann aber nicht an dieser Stelle eintrifft. Der Trugschluss leitet die Melodie unerwartet in eine andere Richtung. Man wird überrascht, weil man sich geirrt hat. Eine schöne Täuschung.

Wie kamst du dazu, Musik zu studieren?

Ich habe früher sehr intensiv gesungen im Chor der Luzerner Kantorei. Als ich in der dritten Klasse eine Oper live gesehen habe, war der Fall klar. Da wusste ich: Ich will auch auf so einer Bühne stehen und singen. Seither ist Sängerin zu werden mein grösster Traum.

Wo hast du dich in deinem Studium geirrt?

Ich habe tatsächlich gedacht, es sei leichter. Es ist mental sehr streng und einnehmend. Pläne treffen nicht immer so ein, wie man sich diese vorgestellt hat. Man nimmt sich zu viel vor. Und dann bekommt man ein Engagement nicht, für das man sich beworben hatte, oder man wird vor einer Aufführung krank oder ist heiser und die Stimme funktioniert nicht mehr. Zu Beginn meines Studiums dachte ich, es sei der richtige Ansatz, aus reiner Freude Musik zu studieren. Erst später stellte ich fest, dass sich diese Freude eben nicht immer durchzieht. Da irrte ich manchmal ein wenig, aber ich nahm auch immer eine Erfahrung aus solchen Situationen mit. 

Musik und Gesang nehmen in deinem Leben viel Platz ein. Kannst du Arbeit und Freizeit trennen?

Nicht immer gleich gut, denn Stimme ist etwas sehr Persönliches. Mein Instrument ist gleichzeitig mein Körper. Aber wenn ich singe, nehme ich eine andere Haltung ein, dann bin ich nicht mehr Céline, dann bin ich Sängerin und gehe in einen anderen Modus. Manchmal ist es schwierig, denn wenn Céline erkältet ist, ist natürlich auch die Sängerin erkältet. Im Winter habe ich vielleicht schneller einen Schal an als andere oder gehe im Ausgang mal früher nach Hause, um meine Stimme zu schonen.

Wo irrst du gerade?

Mein «aktuellster» Irrtum bezieht sich auf meine Einstellung zur Musik. Ich habe lange Gesang nicht als meinen Beruf angesehen, sondern beinahe als meinen gesamten Lebensinhalt. Mein Studium und meine Stimme haben mich viel zu fest eingenommen und sind fast schon zu meiner Persönlichkeit geworden. Das möchte ich jetzt ändern. Ich möchte Musik als eine Berufung sehen, bei der ich mit Herz und Seele voll dabei bin, mich aber auch davon distanzieren kann und ein Privatleben habe als Ausgleich.

Wie reagierst du auf Irrtum?

Ruhig bleiben und das Beste daraus machen. Wenn mal etwas nicht klappt, wie ich es mir gewünscht hätte, kommt etwas anderes. Sei es auf ein Projekt, ein Engagement oder ein Casting bezogen. Denn die Realität ist leider, dass man von 100 Vorsingen ein halbes bekommt. Es braucht eine grosse Resilienz und viel Durchhaltevermögen.

Ich versuche, dem Irrtum etwas Gutes abzugewinnen, und glaube, dass ein Irrtum oft zu einer neuen Perspektive führt. Deshalb finde ich, dass Irren auch etwas Positives an sich hat, obwohl das Wort Irrtum eher negativ behaftet ist. Gerade im Leben einer Musikerin oder eines Künstlers ist es manchmal sogar wichtig, zu irren, um die Dinge wieder von einer anderen Seite sehen zu können, sie zu hinterfragen und aus diesen neuen Ansichten zu schöpfen.

Wie würde Irrtum für dich klingen?

(Lacht) Wie ein quietschender Autoreifen. Ein wenig unangenehm.

Worauf ein Richtungswechsel folgt?

Genau, es geht ja immer weiter.

Wie geht’s bei dir jetzt weiter?

In die Ferien geht’s!

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