Laddermen: «Moll-Akkorde regieren die Welt!»

Neues Melancholiker-Material aus Luzern: Laddermen-Kopf Leopold Oakes erzählt uns im Gespräch vom Album, vom Arrangieren des Lebens, plädiert für Moll-Akkorde und klärt auf über die neue Heimat des Projekts und das Beschreiten neuer, zunehmend einsiedlerischer Wege.

Autor:in:
Jan Rucki
Titelbild:
z.V.g.
Hinweise:

Wer sich in der Luzerner Musikszene auskennt, hat bestimmt schon zu Musik von Laddermen gefeiert. Anlässlich ihres neuen Albums «Life Got Lame And Now You’re Bored» erklärt uns Frontmann Leopold Oakes, weshalb Laddermen nicht mehr eine keine Luzerner, sondern eine Londoner Band ist, wer die Welt regiert und weshalb wir das neue Album nie live hören werden.

frachtwerk: Herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album. Es ist sehr melancholisch geworden. Hat eure neue Musik schlechte Laune?

Leopold Oakes: Ich habe das Gefühl, dass ich mich schon immer dazu hingezogen gefühlt habe, melancholische Musik zu schreiben, weil ich mit dieser Art von Musik aufgewachsen bin. Eine gewisse Schwere begleitet mich seit jeher, obwohl ich eigentlich ein sehr glücklicher Mensch bin. Vielleicht ist es eine Art Therapie, die mich mit den traurigen Aspekten meines Innern konfrontiert. Ich trage wohl beide Seiten in mir. Und ich finde, dass Moll-Akkorde einfach besser klingen als Dur-Akkorde (lacht).

frachtwerk: Daraus könnten wir jetzt einen Nerd-Talk starten! Lass uns mehr über Gefühle und Emotionen sprechen. Welche haben dich beschäftigt, während du das neue Album geschrieben hast?

Leopold Oakes: Ich hatte in dieser Zeit eine schwierige Trennung hinter mir. Das war eine schwere Zeit und die Thematik hat mich oft und lange beschäftigt. Nun blicke ich zurück und denke: «Gott sei Dank ist das passiert.» Die Trennung und das Album waren perfekt getimed. Was für eine grossartige Inspiration. Ein Silberstreif am Horizont. Mein Leben wurde regelrecht durchgeschüttelt und dennoch war ich relativ bald in der Lage, Texte über meine Erfahrungen zu schreiben. Das spielte auf eine wirklich schöne Art und Weise zusammen. Oder wie Rick Rubin sagen würde: «Es ist das Universum, das dir antwortet!» Ich denke, da ist etwas Wahres dran.

frachtwerk: «Life Got Lame And Now You’re Bored» heisst das Album. Das klingt jetzt nicht gerade nach einer emotionalen Achterbahnfahrt.

Leopold Oakes: Das bezieht sich tatsächlich auf meine damalige Freundin. Sie hatte das Gefühl, dass unsere Beziehung langweilig wurde, da nichts Aufregendes mehr passierte und ihr Leben lahm zu werden drohte. Ich glaube, dieses Gefühl hat sich bei ihr auf ihre Karriere, ihre Hobbys, ihre Beziehung und ihren Freundeskreis ausgeweitet. Ein solches Gefühl berührt früher oder später einfach alle Bereiche deines Lebens. Doch wenn du dich mit den Dingen um dich herum langweilst, bedeutet das, dass du vielleicht selbst eine langweilige Person geworden bist oder dich nicht genügend darum bemühst, dein eigenes Leben spannend zu gestalten. Mir ist dabei aber wichtig zu sagen, dass wir jetzt sehr enge Freund:innen sind und uns gut verstehen.

frachtwerk: Und der Schreibprozess hat dir geholfen, an diesen Punkt mit ihr zu kommen?

Leopold Oakes: Ja, es hat sich alles zum Besten entwickelt und dieses Album ist vielleicht eine akzentuierte, pervertierte Art, die ganze vergangene Situation darzustellen. Kunst halt.

frachtwerk: Hattest du viel mit Selbstzweifeln zu kämpfen?

Leopold Oakes: Ich bin kein Fan von Reue. Ich versuche, wenig Bedauern zu haben, indem ich einfach so nah wie möglich an meinen Gefühlen dranbleibe und ehrlich und offen zu den Menschen um mich herum bin. Das gilt dann auch für meine Kunst. Viele meiner Songs beschreiben genau das, was ich zu der Zeit gefühlt habe. Es sind für mich eine Art Tagebucheinträge und ich sehe die Dinge wieder ganz anders als damals. Aber: Ich bereue nichts davon.

frachtwerk: Hört man diese Veränderung auch in deiner Musik?

Leopold Oakes: Ja, absolut. Das erste Album hatte viel damit zu tun, dass ich in die Schweiz gezogen bin und alleine war. Da war dieses «Mich-selbst-entdecken» und diese Angst, aus mir herauszukommen. Beim zweiten Album haben wir uns als Band formiert und es gemeinsam geschrieben. Die Veränderungen insgesamt kann man der Musik anhören. So ist es nicht mehr nur der Post-Punk, der durchdrückt, sondern zunehmend auch mehr Indie und Sleazy-Sound. Es ist alles ein bisschen gepflegter geworden (schmunzelt). Ich finde es generell wichtig, Neues zu probieren und nicht immer wieder dasselbe zu regenerieren. Das Einzige, was gleich bleiben wird: Moll-Akkorde regieren die Welt! (lacht)

frachtwerk: Was sind denn Gefühle, die du definitiv hinter dir lassen konntest?

Leopold Oakes: Das ist eine sehr interessante und persönliche Frage. Können wir eine solche Therapiestunde öfter machen? (lacht).

frachtwerk: Wenn du die Rechnung nicht scheust.

Leopold Oakes: Nimm dir das Geld! Also: Dieses ständige Verlangen nach Gemeinschaft konnte ich hinter mir lassen. Ich bin mehr zum Einzelgänger geworden. Das liegt vielleicht daran, dass ich nach London gezogen bin und merkte, wie gut es mir damit ging. 

frachtwerk: Hilft dir Musik generell dabei, nostalgisch sein zu dürfen oder Raum für Neues zu schaffen?

Leopold Oakes: Das tut sie definitiv beides. Aber sie wirkt therapeutisch, weil sie wie ein Tagebuch funktioniert und es mir damit leichter fällt, Dinge loszulassen. Dann legst du das einfach über ein paar abgefahrene Gitarrenspuren, es gibt nichts Geileres. Aber klar, höre oder spiele ich alte Tracks, zum Beispiel vom zweiten Album. Da wird man schon mal nostalgisch. Die Musik setzt dann die Erinnerungen in einen aktuellen Rahmen. Das finde ich sehr schön.

frachtwerk: Du kommst ursprünglich aus Texas, lebtest in Luzern und wohnst nun in London. Deine Band-Members sind in Luzern zu Hause. Wo lebt Laddermen weiter?

Leopold Oakes: Begonnen hat Laddermen als Solo-Projekt in meinem Schlafzimmer. Dann hat das Projekt an Fahrt aufgenommen und über meine Freunde der Luzerner Band «Visions in Clouds» – eine Band, die ich absolut liebe - habe ich meine späteren Luzerner Bandmembers kennengelernt. Wir haben begonnen, gemeinsam Live-Shows zu spielen und merkten, wie viel Spass uns das macht. Im Proberaum der Friends von «Cold Reading», einer weiteren genialen Band aus Luzern, haben wir dann bald unser erstes gemeinsames Album geschrieben. Für meinen Master bin ich dann nach London gezogen. Und jetzt bin ich hier. Nach einem langen Gespräch im Oktober haben wir entschieden, dass die Ära der Band Laddermen jetzt vorbei ist.

frachtwerk: Das soll heissen?

Leopold Oakes: Ich führe Laddermen jetzt hier in London als Soloprojekt weiter. Also wird es Laddermen weiterhin geben, bloss löst sich diese Konstellation auf. Das Schöne ist aber, dass meine bisherigen Bandmembers in Luzern wahrscheinlich ein neues Projekt starten werden.

frachtwerk: Also werden wir das neue Album in der Schweiz nie auf einer Bühne zu hören bekommen?

Leopold Oakes: Nein, leider nicht. Ich lebe nun in London und es macht einfach keinen Sinn, so weiterzumachen. Wenn wir eine grössere Band wären, die auf Tournee wäre, dann wäre es den logistischen Aufwand Wert. Aber wir können das nicht auf einem solch hohen Niveau organisieren. Und auch emotional sind wir durch die geografische Distanz zu weit voneinander entfernt. Es ist wie eine Fernbeziehung, die man aufrechterhält, die aber keinem der Involvierten etwas bringt. Wir hatten gute Gespräche zu diesem Thema und die Entscheidung ist für alle gut so.

frachtwerk: Das Album verpufft nun also im Internet?

Leopold Oakes: Offensichtlich sind Live-Konzerte der beste Teil dieses verdammten Rock’n’Rolls, das ist klar! Leider fällt das jetzt weg, auch wenn es nur schon finanziell wichtig wäre, sie zu spielen. Wir beschränken uns in Zukunft aber auf die Publikation vielerlei Musikvideos, die wir produziert haben, und wir promoten gerade das Album auch sonst intensiv.

frachtwerk: Na dann freuen wir uns doch auf das hoffentlich baldige neue Luzerner Projekt und auf neue Moll-Akkorde aus London.

Leopold Oakes: Ich mich auch.

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