Manon Schlittler bewegt sich zwischen Zürich und Reykjavik und präsentierte uns mit ihrem Projekt Nebno am 30.August ihre neue Single «Meradalir». Die experimentelle Ambient- und Neo-Classical-Produktion ist benannt nach einem aktiven Vulkan auf Island und legt einen magischen Zauber über jene, die ihr lauschen.
Bei ihrer Rückkehr in Zürich haben wir die Musikerin getroffen und sie gefragt, wie sie und ihre Musik so ticken. Ein Gespräch übers Ursprüngliche, das Leisesein und die Kraftder Natur.
frachtwerk: Nebno, woher kommst du musikalisch?
Nebno: Ich komme aus einer Familie mit einem Vater, der selbst als klassischer Musiker und Komponist tätig war. Meine Mutter hat uns mit ihren Spice Girls- und Madonna-CDs einen klaren Kontrast gegeben. Als Kind war ich im Chor und sollte dann noch ein Instrument lernen – da habe ich mich für die elektronische Gitarre entschieden. Später habe ich Musik studiert und dachte lange, Jazz wäre meine Destination.
frachtwerk: Und dann kam der Bruch mit dem Jazz?
Nebno: Als ich vor Jahren ein Album von Sigur Rós gehört habe, hat sich mir eine neue Welt eröffnet. Ich habe die Musik gefunden, die ich noch nicht kannte, aber unterbewusst lange gesucht hatte. Sigur Rós konnte ich, zwei Wochen nachdem ich ihren Sound kennenlernte, in Winterthur live erleben. Es war ein magischer Moment, der in strömendem Regen in der Steinberggasse stattgefunden hat.
frachtwerk: Sigur Rós! Deshalb Reykjavik?
Nebno: (schmunzelt) Das könnte man so sagen. Nein, natürlich nicht wegen Sigur Rós als Band, aber der Zauber, den bekannte isländische Bands über einen legen, wenn man ihnen zuhört, hat mich in seinen Bann gerissen. Mich fasziniert das Nordische unheimlich, weshalb ich zunächst eine Reise nach Island plante, um die Insel zu entdecken. Dann habe ich teilweise auf Island gearbeitet und so kam das eine mit dem anderen: Ich habe mich entschieden, einen Teil meines Lebens im Norden zu verbringen.
frachtwerk: Was fasziniert dich an Island so sehr?
Nebno: Die Landschaft auf Island ist im Vergleich zu jener auf anderen Inseln sehr jung. Überall raucht es, es ist rau, windig und schroff. Mir gibt das ein Gefühl von Echtheit und Wandel – ich mag dieses Gefühl von etwas, das gerade noch in der Entstehung ist. Es ist die pure Kraft der Natur, die einem da begegnet. Und auch die Leute auf Island - Zwar sind sie in einer Art und Weise kühl, dennoch habe ich eine Offenheit für gemeinsame kreative Arbeit gefunden, die ich so kaum jemals erlebte.
frachtwerk: Meradalirist die Single, die du uns nun Ende August beschert hast. Benannt ist es nach dem aktiven Vulkan auf der Nordinsel. Eine Art Hommage an das Ursprüngliche?
Nebno: Ich war auf einer Trekking-Tour auf dem aktiven Vulkan. Man spürt die Hitze, hört die Lava, die emporgeschleudert wird, um dann wieder auf den kalten Stein zu klatschen. Mich hat das unheimlich bewegt, die gewaltige und einmalige Kraft der Entstehung zu spüren. Aus diesen Erfahrungen und Emotionen ist der Track Meradalir entstanden. Eine Reise zur Kraft der Entstehung.
frachtwerk: Das Lied wird von einem Video begleitet, das in den Schweizer Alpen gedreht wurde und uns eine Perfomance zweier Menschen zeigt. Quasi die Fortsetzung zur noch so lebensfremden Welt des aktiven Vulkans?
Nebno: Das Video bildet eine Brücke von einer sehr jungen und wilden Landschaft zu einem Ort, der für für Stärke, Stabilität und Zeit steht. Das Video zu Meradalir entstand auf dem Klausenpass auf einer Höhe von 2000 Metern und zeigt eine unglaubliche Kulisse- Das Musikvideo entstand in Zusammenarbeit mit Magnus Andersen. Emma Thesing und Luis Martínes Gea verkörpern mit ihrer Performance Themen des Liedes von Wiedergeburt und Schöpfung.
frachtwerk: Mit wem hast du für die Single zusammengearbeitet?
Nebno:Ich schreibe und arrangiere alle meine Lieder und produziere möglichst viel allein. Im weiteren Schritt gehe ich ins Studio und arbeite dort mit meinem langjährigen Co-Produzenten Francesco Fabris an den finalen Schritten. Für Meradalir haben wir zudem mit Ásthildur Ákadóttir (Piano), Una Sveinbjarnardóttir (Violine) und Júlía Mogensen (Cello) gearbeitet.
frachtwerk: Bist du also die Köchin deiner Musik und möchtest nicht, dass dir jemand die Suppe versalzt?
Nebno: Für mich ist das musikalische Schaffen ein sehr intimer Prozess. Da bin ich sehr sensibel gestrickt und kann während des Entstehungsprozesses nicht so gut mit Kritik umgehen. In meiner Musik steckt sehr viel Persönliches. Viele Emotionen. Die Musik bildet vielleicht auch eine Welt, die nicht jeder gleich von Beginn an verstehen kann. Unfertige Stücke sind noch sehr fragil, weshalb ich sie gerne in einem geschützten Rahmen behalte. Trage ich ein Werk nach Aussen, bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich mit der eigenen Arbeit zufrieden bin und mit Kritik dann auch sehr gut umgehen kann.
frachtwerk: Bist du generell eher eine Einzelgängerin?
Nebno:Ich bin eine sehr introvertierte und sensible Person, die viel Zeit und Raum für sich braucht. Aber ich habe eine Zwillingsschwester, bin also von Natur aus keine Einzelgängerin.
frachtwerk: Hört man das deiner Musik an?
Nebno: Ja, das Ruhige und Nachdenkliche ist sicher etwas, was in meiner Arbeit gut hörbar ist. Ich bin eine nachdenkliche, ruhige Person. Aber ich nehme das an und arbeite damit. Ich lernte das zu akzeptieren und sehe die Stärke, die darin liegt.
frachtwerk: Und die Musik ist dein mutiges Instrument, auch mal laut zu sein?
Nebno: Ohne Frage. Für mich ist es eine Möglichkeit mich auszudrücken. Mit ihr kann ich über mich hinauswachsen.
frachtwerk: Wo sehen wir dich zwischen Zürich und Reykjavik zum nächsten Mal auf der Bühne?
Nebno: Ich spiele am 7. September ein Konzert am «Les Digitales» Festival in St.Gallen.