Die EM 2025 hat Spuren hinterlassen – und das weit über den Schlusspfiff hinaus. Die Schweiz zeichnete sich als Gastgeberland aus. Von Genf bis St. Gallen waren die Stadien gefüllt und ein Millionenpublikum sass vor den Bildschirmen und schaute zu: Der Sommer gehörte den Fussballerinnen. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen wäre.
Dieses Turnier war mehr als nur ein sportliches Ereignis. Es war Bühne, Aufbruch und Gänsehautmoment zugleich – besonders, wenn die Schweizer Nati unter Trainerin Pia Sundhage zu Höhenflügen ansetzte und die Menschen im ganzen Land mit ihrem Spiel begeisterten. Ihr entscheidendes Gruppenspiel gegen Finnland erreichte beispielsweise Traum-Einschaltquoten. Fast eine Millionen Menschen sahen, wie Riola Xhemaili in der Nachspielzeit den Einzug ins Viertelfinale sicherte. Doch was bleibt, wenn die Fanmeilen abgebaut und die Lichter der Fanzonen ausgegangen sind?
Womöglich sind es die Geschichten abseits des Rasens, die das Turnier überdauern. Geschichten von neuen Vorbildern für Kinder, die erstmals ihre Heldinnen direkt vor der eigenen Haustür erleben konnten. Etwa die Geschichte des Frauenfussballs in der Schweiz – einer Sportart, die sich ihren Platz gegen viele Widerstände erkämpfen musste. Jahrzehntelang war sie belächelt, bekämpft, verboten. Die Heim-EM ist dabei kein isoliertes Ereignis, sondern ein Meilenstein auf einem langen Weg, der auf den Schultern von Pionierinnen gebaut ist.
Wer diese Geschichte verstehen – und den EM-Sommer noch ein Stück verlängern möchte –, dem seien die folgenden Bücher ans Herz gelegt.
Verpönt, verachtet, verboten: Seit seinen ersten Schritten in den 1920er-Jahren musste sich der Frauenfussball in der Schweiz gegen zahlreiche Widerstände behaupten. Noch 1943 wurde behauptet, das Spiel schade der Gebärfähigkeit.
Meier und Hofmann erzählen in ihrem Werk von diesen Kämpfen – und von jenen Vorbildern, die sie geführt haben. Etwa von Madeleine Boll, der ersten lizenzierten Spielerin der Schweiz und heutigen Namensgeberin des EM-Maskottchens. Ein historischer Rückblick, der deutlich macht, wie lang der Weg war – und warum die Heim-EM ein vorläufiger Höhepunkt, nicht der Schlusspunkt sein sollte.
Coumba Sow wuchs in Zürich-Oerlikon auf – als Tochter einer Niederländerin und eines Senegalesen, als Fussballbegeisterte mit grossen Träumen. Ihr Weg zur Nationalspielerin war geprägt von Hürden und Ausgrenzung, von Zwischenstationen in Frankreich, den USA und der Schweiz.
Gemeinsam mit Autorin Licia Chery erzählt sie ihre Geschichte in einer liebevoll gestalteten Graphic Novel – geeignet ab 12 Jahren, offen und zugänglich für Jung und Alt. Ein Buch über Vorbilder, das sichtbar macht, wie viel Mut es manchmal braucht, um auf dem Platz zu stehen.
«Frau Müller» ist kein gewöhnliches Fussballmagazin – sondern ein längst überfälliger Auftakt den Frauenfussball ebenso journalistisch dem Platz zu geben, denn es braucht. Pünktlich zur Heim-EM erschienen, widmet sich das Magazin rein dem Frauenfussball. Dabei überzeugt die erste Ausgabe mit einer Breite an Themen: Etwa warum der Dorfverein FC Savièse so wichtig für die Nati ist, mit einem Interview von Nationaltrainerin Pia Sundhage oder einem Beitrag über den Hass, den Alisha Lehmann abbekommt.
Ein Team von Journalistinnen gibt dem Schweizer Frauenfussball endlich die publizistische Bühne, die ihm zusteht. Wer nach der EM mehr als Highlights und Tabellen will – wird hier fündig.
Während in der Schweiz noch Verbote galten, trugen junge Frauen in Westdeutschland längst geheime Länderspiele aus – und wurden dafür belächelt, ignoriert oder sogar angegangen. Mit erzählerischer Kraft blickt Torsten Körner auf jene frühen Jahre zurück, in denen der Frauenfussball seinen Platz in der Gesellschaft suchte. Er erzählt von Rebellinnen in Stollenschuhen, von Alltagswiderstand und Teeservice für Europameisterinnen. So ist ein Zeitdokument entstanden, das nicht nur Fussballgeschichte, sondern auch Sozialgeschichte niederschreibt und aufzeigt, wie viel Leidenschaft es gebraucht hat, um das Spiel der Männer in Deutschland zu einem Spiel für alle zu machen.
Als queere Frau im männerdominierten Sportjournalismus wurde Lena Cassel oft als «zu bunt» abgestempelt – und kämpfte sich dennoch nach oben. Ihre eigene Laufbahn als Fussballerin musste sie für die Arbeit aufgeben, geblieben ist ihre Liebe zum Spiel.
In ihrer Biografie erzählt das Arbeiterkind vom Erwachsenwerden zwischen Platz, Mikrofon und Hertha BSC – und wie sich der Fussball mit ihr verändert.
Ein persönlicher Einblick in eine Branche im Umbruch – und in das Leben einer Frau, die sich nicht verbiegen liess.
Die EM ist vorbei und doch hallt sie nach – mit all dem Jubel, der Trauer, den Paraden, den Toren. Kinder spielen Xhemailis Treffer auf dem Pausenhof nach, auf Plätzen und Bildschirmen lebt der Sommer weiter. Selten rückte ein Turnier den Frauenfussball so in den Mittelpunkt – spürbar, sichtbar, greifbar. Was bleibt, ist mehr als ein Hype: Es ist ein Kapitel einer langen Geschichte, die hier nicht endet. Der Frauenfussball ist im Aufbruch – und längst mehr als ein Randphänomen. Wer ihn verstehen will, kann zurückblicken. Oder weiterlesen.